Die Recherche für einen Artikel über Alpenüberquerungen hat Magdalena von Anderswo dazu inspiriert, es selbst zu wagen: eine Transalp mit dem Rennrad - ihr erstes Bikepacking-Abenteuer. Ab an den Gardasee!
„No cheating?“ fragt der Rezeptionist im Hotel in Riva del Garda, als wir ihm erzählen, dass wir von Innsbruck mit unseren Rennrädern gekommen sind – und auch wieder aus eigener Kraft dorthin zurück radeln. „No cheating,“ antworten wir schmunzelnd. Ob wir es wohl tatsächlich ganz ohne Fremdhilfe – also ohne zu “schummeln” – wieder bis nach Innsbruck zurückschaffen?
Von Innsbruck ins Ötztal
Es hat gerade aufgehört zu regnen, als wir uns auf unsere bepackten Räder schwingen und aus Innsbruck hinausrollen. Noch etwas ungewohnt ist das Gepäck. In den Kurven fahren wir noch vorsichtig. Ein kalter Wind weht uns durch die Haare, aber die Sonne beginnt schon, den Asphalt unter uns zu trocknen. Unser heutiges Ziel liegt ungefähr 70 Kilometer entfernt. Die erste Etappe entspannt anzugehen, war eine bewusste Entscheidung. Auch wenn meine Reisebegleitung und ich kurze Ausfahrten mit Gepäck bereits zuvor gemacht haben, wollen wir uns nochmal gut einfahren, bevor wir uns auf die anspruchsvollen Etappen der nächsten Tage wagen. Unsere Route führt am Inn entlang und dann links hinein ins Ötztal nach Längenfeld. Dort haben wir uns auch ein Zimmer gemietet.
Für feste Unterkünfte haben wir uns aus zwei Gründen entschieden: Einerseits wollten wir auf unserer ersten Bike-Packing-Tour den Luxus von Dusche und Bett nicht missen. Andererseits wäre die Investition in Zelt und Co. hoch gewesen. Sich langsam an neue Reisemöglichkeiten heranzutasten ist wichtig, um sich nicht von zu viel Neuem überfordern zu lassen. Wenn ihr euch auch für feste Unterkünfte entscheidet, ist unser Übernachtungstipp in Längenfeld das 5-Sterne-Naturhotel Waldklause. In dem aus Naturmaterialien gebauten Hotel könnt ihr euch perfekt für eure nächste Radetappe ausruhen – inklusive Wellnessbereich und Sonnendachterrasse mit Pool.
Alpenüberquerung 1: Ab nach Italien
Früh morgens machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg. Vor uns liegt unsere erste Alpenüberquerung – 1400 Höhenmeter über uns liegt die Landesgrenze zu Italien. Wenn wir diesen Anstieg hinter uns haben, dann ist der Alpenhauptkamm überquert. Die imposante Bergkulisse um uns herum macht es uns leicht, Meter für Meter die Steigung hinter uns zu lassen. Am Weg treffen wir andere Radfahrer*innen und wir tauschen uns über unsere geplanten Touren aus. Die Stimmung ist gut – trotz der Bergetappe und der damit verbundenen Mühen. In den letzten Kehren begegnen wir Schafen und dem restlichen Schnee des Winters, der hier oben noch gegen die warmen Sonnenstrahlen ankämpft.
Als wir glücklich oben ankommen, steht um das Grenzschild Österreich/Italien herum eine Traube von Radfahrer*innen. Schon cool, den Alpenhauptkamm aus eigener Kraft überquert zu haben! Die Abfahrt ins Passeiertal ist beeindruckend. Hinter jeder Serpentine wartet ein neuer Ausblick auf die Südtiroler Bergwelt. Wir erreichen Sankt Leonhard früher als gedacht, doch das Mittagessen in der Trattoria kommt genau richtig. Am Nachmittag erkunden wir noch die Umgebung des kleinen Dorfes. Von der Jaufenburg aus genießen wir den Blick über das Tal – fast wie gemalt steht der Kirchturm in der sattgrünen Landschaft.
Es bietet sich an, die zweite Etappe bis nach Meran auszuweiten. Dort warten gleich drei Blaue Schwalbe-Unterkünfte auf euch: das Apipura Hotel Rinner am Rittner Hochplateau, das Hotel Zum Hirschen im Ort Unsere Liebe Frau im Walde und die Ferienwohnungen im Ansitz Gurtenhof in Tisens.
Gardasee Olé: bis nach Riva del Garda
Die dritte Etappe hat es in sich. 20 Kilometer rollen wir nach Meran hinunter, von wo aus wir auf den Adige Radweg kommen, der uns dann fast bis an unser Ziel, den Gardasee, bringt. Der Adige- oder Etschradweg ist ein Abschnitt des EuroVelo-Fahrradweges 7. Dieser führt mit kleinen Unterbrechungen vom Norden Schwedens über Kopenhagen, Berlin, Prag und Rom bis nach Valetta, in die Hauptstadt Maltas. Eigentlich – denn plötzlich ist der Fahrradweg aufgrund einer Baustelle abgesperrt. Kurz befürchten wir, dass wir jetzt auf der Straße weiterfahren müssen. Doch die Umleitung ist gut beschildert, führt uns durch Weinreben und Apfelplantagen weiter unserem Ziel entgegen und wir finden ohne Probleme wieder zurück auf den ursprünglichen Radweg. Wie gut zu sehen, dass das Radwegsystem auch einfach funktionieren kann.
Einen kleinen Mittags-Stopp lassen wir uns trotz der langen Etappe nicht nehmen. In der Provinz Trento angekommen, fühlen wir uns in der Trattoria in San Michele zum ersten Mal richtig wie im Urlaub, auch wenn die Kellnerin unseren Versuch, auf Italienisch zu bestellen, mit einer Deutschen Antwort erwidert.
Am Nachmittag biegen wir nach der Stadt Trento vom Etschradweg ab. Wir entscheiden uns nämlich für die Panoramaroute, auch wenn diese mehr Höhenmeter bedeutet. Mit weiten Blicken über das Etschtal werden wir für die Anstrengung belohnt. Umso besser schmeckt das Eis, als wir in Riva del Garda ankommen: mit 160 Kilometern in den Beinen, müde, aber glücklich.
Riva ist eine richtige Fahrradstadt. Unzählige Fahrradläden und auch die Tourist*innen in der Stadt geben das sofort zu erkennen. In diesem Ambiente lässt sich ein richtig italienischer Abend genießen – inklusive Apertitivo, Pizza und einem zweiten Eis als Nachtisch.
Zwischen Gardasee und Südtirol
Und schon sind wir auf dem Heimweg. Von Riva del Garda führt uns die vierte Etappe zurück durch das Etschtal, diesmal talaufwärts. Die Sonne brennt bereits, als wir gegen 8 Uhr aus der Stadt hinausradeln. Seeblicke und ein leichter Wind machen die Hitze vorerst noch wett. Zum Glück gibt es auf dem Etschradweg ständig Möglichkeiten, gratis seine Wasserflaschen mit Trinkwasser aufzufüllen.
Gegen Mittag, wieder auf der Höhe von San Michele angelangt, legen wir einen kleinen Supermarkt-Stopp ein und kaufen Eistee und Nüsse, um bis nach Bozen durchzuhalten. Die Hitze zwischen den Weinreben und dem aufgeheizten Asphalt macht das Radfahren zusätzlich anstrengend – und dazu kommen Schmerzen in meinen Knien. Meine Rahmentasche schränkt meine Bewegungsfreiheit ein, sodass ich beim Treten leicht nach außen ausweiche. Besonders bei kleinen Anstiegen und wenn mehr Druck auf die Pedale kommt, wird der Schmerz deutlich stärker.
Mit den Worten des Rezeptionisten im Kopf versuche ich die Idee, ein paar Kilometer mit dem Zug zu fahren, zu unterdrücken. Doch ist es wirklich so schlimm, ein wenig zu schummeln und stattdessen auf seinen Körper zu hören? Nach 110 Kilometern und 4,5 Stunden im Sattel kommen wir in Bozen an. Dort entscheide ich mich tatsächlich für den Zug und spare mir dadurch 400 Höhenmeter und 40 Kilometer. Dafür habe ich mehr Zeit, mir Bozen und Brixen anzusehen, was definitiv ein Pluspunkt ist.
Im Zug ärgere ich mich ein wenig, dass ich keine längere Probeausfahrt mit meinem Gepäck gemacht habe, bin aber gleichzeitig froh, ein wenig mehr Regenerationszeit vor der morgigen Überquerung des Alpenhauptkammes zu haben. Dennoch eine Erinnerung an euch: Probiert euer Setup unbedingt aus, bevor ihr längere Ausfahrten macht! Schon kleine Unstimmigkeiten können zu großen Problemen führen, die ihr leicht vermeiden könnt.
Wenn ihr die vierte Etappe ebenfalls etwas abkürzen wollt, empfehlen wir die Nacht im Bio- & Bikehotel Steineggerhof in Südtirol zu verbringen. Im Wellnessbereich könnt ihr für die letzte Etappe noch mal ausgiebig regenerieren. Für alle, die nicht weniger, sondern noch ein paar mehr Höhenmeter strampeln wollen, lohnt sich der kleine Abstecher zum Berggasthof Bad Dreikirchen. Die Stille und Entspannung des abgelegenen, autofreien Gasthofes kommt nach 4 Tagen auf dem Rad genau richtig.
Wir lassen den letzten italienischen Abend bei Pasta und Tiramisu in einem kleinen Dorf oberhalb von Brixen ausklingen und genießen ebenfalls die Ruhe und kühlere Luft, die hier oben im Vergleich zum Tal herrschen.
Alpenüberquerung die Zweite: über den Brenner zurück nach Österreich
100 Kilometer trennen uns am letzten Morgen unserer Bike-Packing-Tour von Innsbruck. Der Radweg von Brixen über den Brenner steigt stetig, aber gemächlich. Obwohl wir 1000 Höhenmeter zurücklegen, fühlt sich die Steigung nicht besonders anstrengend an. Die Alpen rahmen die urigen Bergbauernhöfe und deren Felder. Immer wieder kommen wir an Bildstöcken vorbei, fahren unter Tunnel durch oder treffen auf heuende Bäuerinnen und Bauern – Szenen wie aus dem Bilderbuch. Gekrönt wird diese Stimmung durch den strahlend blauen Himmel.
Auf dem Weg von Bozen zurück nach Innsbruck liegt auch das Südtiroler Örtchen Sterzing. Wenn ihr noch Zeit habt, empfehlen wir euch, auch hier einen Zwischenstopp einzulegen oder sogar eine Nacht dort zu verbringen. Wo würde es sich besser entspannen lassen als im Wellnessbereich des Naturhotels Rainer, ganz in der Nähe Sterzings?
Am Brenner angekommen, machen wir nochmal kurz Pause – ein Espresso und ein Cappuccino müssen sein. Zurück in Österreich, geht es erstmal die Passstraße hinunter. In Matrei am Brenner entscheide ich mich dann für die Panoramaroute über Ellbögen und Patsch – gut, dass ich gestern kurz geschummelt und den Zug genommen sowie meine Rahmentasche etwas umgepackt habe. Heute schmerzen meine Knie kaum noch. So genieße ich die Aussicht auf die Serles und auf die Nordkette und fahre zufrieden nach Innsbruck hinunter.
Bike-Packing-Fazit
500 Kilometer und 20 Stunden im Sattel später haben wir unsere erste Alpenüberquerung und unser erstes Bike-Packing-Abenteuer hinter uns. Wenn es nach uns ginge, dann hätten wir auch länger unterwegs sein können. Aber klein anzufangen ist nicht umsonst ein Tipp unserer Anderswo-Fahrradexpertin Katharina. Im Artikel Bike-Packing: mit leichtem Gepäck Europa entdecken bekommt ihr noch ganz viele weitere Tipps, an denen auch ich mich orientiert habe.
Mit dem Rad zu verreisen, ist eine der schönsten Arten, die Welt um sich herum zu erleben. Die kleinen Dörfer, durch die wir gefahren sind, und die Menschen, die wir am Weg getroffen haben, machen Radurlaub zu etwas Besonderem. Ganz abgesehen von den großartigen Eindrücken, konnten wir durch die Anreise mit dem Rad auch stundenlange Staus vermeiden. Über das Pfingstwochenende, an dem wir unterwegs waren, hätten wir über 3 Stunden auf der Brennerautobahn gestanden. Stattdessen sind wir entspannt gegen Süden gerollt. Bike-Packing bedeutet ein kleines bisschen extra Freiheit – probiert es einfach einmal aus.