Ein bisschen Bammel habe ich schon. Ich sitze in unserem Zimmer im Biovitalhotel Tauber in St. Sigmund im Pustertal, und alles strahlt Ruhe aus: das helle Holz, die hellgrauen Steinkacheln im Bad, der Garten hinter der Schiebetür aus Glas. Aber draußen regnet es in Strömen. In den Bergen hat sich eine Gewitterfront verkeilt. Es blitzt. Der Donner rollt über die Berggipfel, als wären sie ein Skatepark für Krach.
Es ist der Vorabend unserer Vater-Sohn-Wanderung. In den Alpen waren wir bisher nur zum Skifahren. Ich erinnere mich, wie ich vor Jahren mit zwei Freunden in den Dolomiten von einem Gewitter überrascht wurde. Wie wir uns in einen Graben gekauert haben und uns den Regen geduldig in Nacken und Schuhe liefen ließen. Damals, als man noch keinen minutengenauen Regenradar in der Tasche hatte. Dass ich für die nächsten Tage keinen Plan B habe, wird mir erst jetzt richtig bewusst.
Tag 1: Steigung in den Oberschenkeln
„Sie schaffen das schon“, bestärkt mich Gerd Tauber. Der Hotelier muss es wissen. Er ist nicht nur gelernter Koch und Gesundheitstrainer, sondern auch zertifizierter Wanderführer. In der Stube des Hotels beugen wir uns über die Karte. Zwar ist auch für morgen Gewitter angesagt, aber erst am Nachmittag. Also muss ich mit meinem 11-jährigen Sohn Maxi die gut 600 Höhenmeter vom Parkplatz Kreuzner in Ellen auf das knapp 2.200 Meter hoch gelegene Astjoch am Vormittag bewältigen. Dann bleibt uns genug Zeit für den sanften Abstieg vom Gipfel bis zur Lüsner Alm, wo wir die Nacht auf dem Berg verbringen wollen.
Am nächsten Morgen setzt uns der Wanderbus pünktlich um neun Uhr am Parkplatz ab. Es ist ein warmer, aber bewölkter Sommertag. Ein normaler Linienbus würde die schmalen Serpentinen wahrscheinlich nicht hochkommen, zumal wir mehrere Gruppen von Mountainbikern überholen mussten. Wir laufen noch 50 Meter, dann führt links der Wanderweg 67 in den Wald. Unser Abenteuer beginnt. ...
Was die beiden bei ihrer Wanderung in den Südtrioler Alpen alles erleben, lest ihr im Anderswo-Magazin 2024.