Ein großes Hotelzimmer ohne Schwellen und Kanten, dafür breite Durchgänge und ein Bad mit viel Bewegungsraum: perfekt für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Ein Hotelzimmer ohne Krimskrams, das Bad klein und kompakt: für Menschen mit Seheinschränkung eine Wohltat. Diese Beispiele zeigen: Barrierefreiheit hat viele Facetten. Dies stellt gerade im Tourismus, der allen Gästen gerecht werden soll, eine besondere Herausforderung dar.
Nachhaltiger Tourismus zielt darauf ab, die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Reisens positiv zu gestalten. Ein zentraler Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit: die Barrierefreiheit. Sie soll gewährleisten, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Ein Tourismus, der wirklich nachhaltig sein möchte, muss für alle Menschen zugänglich sein, unabhängig von ihren körperlichen – und genau genommen auch finanziellen – Fähigkeiten. Für viele Menschen eine heere Vision, da Angebote für ihre speziellen Anforderungen dünn gesät sind.
Der lange Weg zum Angebot
Während Menschen ohne körperliche Einschränkung und mit durchschnittlichem Urlaubsbudget von Hotels und Tourismusregionen umworben werden, müssen alle anderen lange suchen, um ein geeignetes Angebot zu finden. Auch Hotels mit barrierefreien Zimmern weisen im Gespräch meist darauf hin, dass es besser ist, vor der Buchung nochmal anzurufen und die genauen Gegebenheiten abzufragen. Rollstuhl ist nicht gleich Rollstuhl, Seh- und Geheinschränkungen haben abweichende Erfordernisse. Das beginnt bei der Webseite und hört im Wellnessbereich noch lange nicht auf. Kaum ein Hotel oder eine Tourismusregion will versprechen, alle Notwendigkeiten sicher zur Verfügung stellen zu können.
Was bedeutet Barrierefreiheit?
Dazu kommt, dass bei Hotel- oder Angebotsbeschreibungen auch die Begrifflichkeiten munter durcheinander gehen. Wenn wir von Barrierefreiheit sprechen, meinen wir oft unterschiedliche Dinge. Hier ein Versuch, diesen Begriff sowie weitere im Kontext Barrierefreiheit genutzte Beschreibungen zu definieren:
1. Barrierefrei
„Barrierefrei“ beschreibt eine Umgebung, die so gestaltet ist, dass sie von allen Menschen ohne Hindernisse und ohne fremde Hilfe, unabhängig von ihren körperlichen Fähigkeiten, genutzt werden kann. Das umfasst unter anderem stufenlose Zugänge, breite Türen und gut lesbare Beschilderungen. Barrierefreiheit bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Einrichtung auch für alle Menschen mit Behinderung geeignet ist.
2. Rollstuhlgerecht
„Rollstuhlgerecht“ bedeutet, dass eine Umgebung speziell auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrer*innen angepasst ist. Dazu gehören Rampen, Aufzüge, unterfahrbare Waschbecken und ausreichend Platz zum Manövrieren. Allerdings ist eine rollstuhlgerechte Umgebung ebenfalls nicht zwangsläufig auch für Menschen mit anderen Behinderungen geeignet.
3. Behindertengerecht
„Behindertengerecht“ ist ein weiter gefasster Begriff, der nicht nur die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrer*innen, sondern auch die von Menschen mit Seh-, Hör- oder kognitiven Behinderungen berücksichtigt. Dazu gehören taktile Leitsysteme für Blinde, Induktionsschleifen für Hörgeschädigte und klare, einfache Informationen. Er wird oft synonym mit „barrierefrei“ verwendet, sollte aber präzisiert werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Mit dem Rollstuhl durch Skandinavien
Dass nachhaltiges Reisen und Barrierefreiheit Hand in Hand gehen, zeigt die Anderswo-Autorin Caroline Mühlheims eindrucksvoll. In ihrem Reisebericht beschreibt sie ihre Erlebnisse auf einer Zugreise durch Schweden, Norwegen und Dänemark und schildert die Herausforderungen, aber auch positiven Erlebnisse, die sie auf ihrer Reise hatte, von der Ankunft in überfüllten Zügen bis hin zu barrierefreien Taxis und zentral gelegenen, barrierefreien Hotels. Ihr Bericht macht deutlich, wie wichtig es ist, dass die Infrastruktur – von barrierefreien Bahnhöfen und Zügen bis hin zu geeigneten Unterkünften und öffentlichen Räumen – entsprechend ausgebaut ist, um ein nachhaltiges und barrierefreies Reiseerlebnis zu ermöglichen.
Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit im Einklang
Nachhaltiges Handeln geht oft Hand in Hand mit der Schaffung barrierefreier Räume: Öffentliche Verkehrsmittel wie modernere Züge und Busse sind zunehmend barrierefrei gestaltet und bieten spezielle Abteile, Rampen und Aufzüge für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Diese sind zugleich energieeffizienter und umweltfreundlicher als individuelle Anreisemethoden. Doch die Barrierefreiheit hört nicht bei der Anreise auf.
Nachhaltiges Bauen und barrierefreie Unterkünfte
Auch Unterkünfte und Hotels müssen entsprechend ausgestattet sein, um nachhaltiges und inklusives Reisen zu ermöglichen. Seit dem 1. Januar 2016 sind alle Betriebe in Deutschland verpflichtet, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten. Barrierefreie Hotels bieten beispielsweise stufenlose Eingänge, rollstuhlgerechte Zimmer und Badezimmer sowie einfache Zugangsmöglichkeiten zu allen Bereichen des Gebäudes. Diese Merkmale sind nicht nur für Menschen mit Behinderungen von Vorteil, sondern auch für ältere Gäste sowie Familien mit kleinen Kindern.
Nachhaltiges Bauen in der Tourismus- und Hotellerie-Branche geht über ressourcen- und energieschonende Bauweisen hinaus und umfasst auch die Berücksichtigung der Langlebigkeit und Anpassungsfähigkeit eines Gebäudes. Ein von Anfang an barrierefrei geplantes Design gewährleistet die Zugänglichkeit für alle Gäste und vermeidet teure und aufwendige Nachrüstungen. Dies verbessert nicht nur die Gästeerfahrung, sondern steigert auch die Wettbewerbsfähigkeit von Hotels, da sie eine breitere Zielgruppe ansprechen können.
Zusätzlich zu den baulichen Maßnahmen bieten viele nachhaltige Unterkünfte spezielle Dienstleistungen an, wie barrierefreie Shuttle-Services, assistierte Ausflüge und personalisierte Unterstützung. Diese Maßnahmen gewährleisten, dass alle Gäste ihren Aufenthalt uneingeschränkt genießen können und fördern ein inklusives Umfeld, das für ein positives Reiseerlebnis unerlässlich ist.
Tag des barrierefreien Tourismus
Am „Tag des barrierefreien Tourismus“, präsentiert von der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), werden jedes Jahr in inspirierenden Impulsvorträgen, informativen Präsentationen und interaktiven Gesprächsrunden wichtige Themen wie die Entwicklung barrierefreier Destinationen, die maßgeschneiderte Gestaltung von Angeboten für spezifische Zielgruppen sowie die Förderung barrierefreier Kommunikation intensiv diskutiert.