"Ohne Flugzeug nach Sardinien" – den Selbsttest starten wir an einem schönen Julitag in Berlin. Die Mittagssonne scheint durch das Glasdach des Hauptbahnhofs. Ein bisschen aufgeregt sind wir schon, als wir in den ICE Richtung München steigen, unser erster Zug auf dieser langen Reise gen Süden. Wir verstauen Rucksack und Trolley in der Gepäckablage und haben erst einmal ganz viel Zeit zum Lesen, Reden und Planen. Nach viereinhalb Stunden Fahrt erreichen wir am frühen Abend München. Trotz einer halben Stunde Verspätung bleibt noch genug Zeit, um Snacks und Getränke für die lange Nacht einzukaufen – denken wir. Wir nehmen uns Zeit, bummeln gemütlich durch den Bahnhof, um kurz vor der geplanten Abfahrt festzustellen, dass unser Nachtzug ausnahmsweise nicht vom Münchner Hauptbahnhof, sondern vom Ostbahnhof abfahren wird. Ein kurzer Sprint zur S-Bahn: Gerade noch rechtzeitig erreichen wir den abfahrbereiten Zug. Außer Atem lassen wir uns in die weichen Sitze in unserem Abteil fallen und schnaufen erst mal tief durch. Geschafft! Jetzt liegt nur noch eine Nacht zwischen uns und Italien.
Wir haben die Kosten für den Liegewagen gespart. Aber die Sitze in unserem 6er-Abteil lassen sich so ausziehen, dass eine gemütliche Liegefläche entsteht. Zum Glück haben wir das Abteil in dieser Nacht ganz für uns allein und können es uns auf unserer gepolsterten Wohnlandschaft so richtig gemütlich machen. Die Fahrt durch Bayern verfolgen wir noch gespannt durch das große Abteilfenster. Aber dann siegt die Müdigkeit, und wir dösen immer wieder weg. Das Ruckeln und Schlingern des Zugs macht das Einschlafen nicht gerade leicht, aber irgendwann haben wir uns daran gewöhnt. Und dann gibt es trotz Rattern und Rangieren immer wieder Phasen, in denen wir tief schlafen und ganz vergessen, dass wir in einem Zug unterwegs sind.
Im Nachtzug von München nach Florenz
Am frühen Morgen wecken uns die Sonnenstrahlen, die durchs Abteilfenster fallen. Überrascht stellen wir fest, dass wir schon längst über die Alpen und mitten in Italien sind. Die typisch hügelige Toskana-Landschaft weist darauf hin, dass wir unser erstes Ziel bald erreichen: Florenz.
In der beeindruckenden Bahnhofshalle suchen wir als Erstes den Gepäckschalter. Hier lassen wir die großen Gepäckteile, um unbeschwert die Stadt entdecken können. Wir spazieren staunend durch die historische Innenstadt, überqueren die berühmte Brücke Ponte Vecchio, genießen den Ausblick über Florenz vom Piazzale Michelangelo und suchen Schutz vor der Mittagshitze in der imposanten Kathedrale Santa Maria del Fiore. Bis wir uns zur Weiterfahrt wieder am Bahnhof einfinden, hat unser Schrittzähler auf dem Smartphone schon über 20.000 Schritte gezählt, und wir haben reichlich Eindrücke gesammelt.
Es ist ganz schön, in den Regionalzug Richtung Livorno zu steigen und die nächsten eineinhalb Stunden einfach nur die Füße hochzulegen. Livorno, wir hätten gerne mehr Zeit für dich gehabt, aber es reicht nur noch für einen Bummel durch die Innenstadt und ein kurzes Abendessen. Dann machen wir uns – mit genug zeitlichem Puffer – auf den Weg zum Fährhafen, der etwas außerhalb der Stadt liegt.
Sardinien in Sicht: Vom Zug auf die Fähre
Da liegt sie, die MS Cruise Sardegna! Über viele, viele Treppen und Zwischenetagen steigen wir hinauf aufs Oberdeck. Ziemlich groß, so eine Fähre. Aus luftiger Höhe bewundern wir den Sonnenuntergang, der den Himmel über dem Mittelmeer in ein warmes Orange taucht. Dann legt die Fähre ab und macht sich schon im Dunkeln auf den Weg Richtung Olbia.
Die Nacht verbringen wir in bequemen (und günstigen) Schlafsesseln. Das sanfte Schaukeln der Wellen wiegt uns in den Schlaf. Erschöpft vom langen Reisetag schlafen wir tief und fest durch, bis die Sonne wieder aufgeht und wir uns der sardischen Küste nähern. Auf Deck beobachten wir, wie sich die große Fähre auf den Anleger zubewegt. Zwei volle Reisetage liegen hinter uns. Obwohl wir noch nicht richtig angekommen sind, haben wir schon mehr erlebt als in manch anderem Urlaub. Vor uns liegt Sardinien und damit hoffentlich der nächste ebenso ereignisreiche Teil unserer Reise.
Als ersten Urlaubsort haben wir uns für den kleinen Küstenort Cala Gonone entschieden. Das ehemalige Fischerdorf liegt am Fuß steiler Felshänge – nicht weit entfernt von den berühmtesten Grotten der Insel, die man von hier aus gut per Boot erkunden kann.
Wandern im Nationalpark Gennargentu
Noch ein Stückchen weiter südlich und mit dem lokalen Bus gut zu erreichen liegt unser nächster Standort: Lotzorai. Der kleine Ort liegt ein bisschen versteckt am südlichen Rand des Nationalparks Gennargentu. Hier findet man wunderschöne Buchten und Strände, aber auch gebirgige Landschaften – unter anderem den höchsten Berg Sardiniens. Christine Wolfangel von der nachhaltigen Reiseagentur Sardaigne en liberté, Praxispartnerin der Hochschule Eberswalde, hat uns diesen Tipp gegeben. Sie bietet in der Gegend mehrere Touren an und vermittelt uns an eine Bekannte, die in Lotzorai ein gemütliches „Bed and Breakfast“ betreibt. Auch ein paar Wandertipps hat uns Christine mitgegeben. Wir sind zwar nicht wirklich auf Alpinismus eingestellt, aber die Küstenwanderung
zum gewaltigen Felsstein Pedra Longa möchten wir uns trotzdem nicht entgehen lassen. Für geübte Wanderer ist der steile und steinige Weg vermutlich problemlos zu bewältigen. Aber für uns ist der Aufstieg vor allem wegen der Hitze eine echte Herausforderung. Trotzdem bereuen wir nichts und freuen uns an jedem Aussichtspunkt über die traumhaften Ausblicke, die uns diese Wanderroute
entlang der Küste bietet: kristallblaues Meer entlang einer eindrucksvollen Küstenlinie.
Zum Abschluss steht noch ein Besuch in Cagliari auf unserem Programm. Die Hauptstadt Sardiniens erreichen wir, wie auch alle vorherigen Orte auf der Insel, mit dem Bus. Auf ruhige Natur folgt ein Tag voller Trubel in dieser schönen Stadt direkt am Meer. Wir sind begeistert von der eindrucksvollen Architektur und nehmen uns viel Zeit, die farbenfrohen, engen Gassen zu entdecken.
Mit dem Regionalzug geht es von Cagliari zurück nach Olbia. Die Bahnlinie führt durchs Landesinnere, vorbei an vielen kleinen Ortschaften und Feldern, auf denen auffallend viele Esel umherlaufen.
Coralie Leyenberger & Laura Wertsch
Wie der Urlaub der beiden auf Sardinen weiterging, lest ihr im Anderswo-Magazin 2022.