Vor ungefähr 10 Jahren habe ich meine erste und letzte Interrail-Reise gemacht. Damals, mit Anfang 20, ging es mit einer Freundin von einer großen Stadt zur nächsten, ohne längere Aufenthalte, wenig Natur und immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Ganz schön anstrengend und vielleicht nicht unbedingt zu empfehlen.
Aber gerade wegen dieser nostalgischen Erinnerungen und meiner neu entflammten Zugreise-Begeisterung reizte es mich letzten Sommer mit dem Zug Europa zu erkunden und viele Kilometer bewusst zurückzulegen. Das Ziel: Die kleine Baleareninsel Formentera – seit jeher Lieblingsreiseziel meiner Familie. Früher natürlich per Flieger, jetzt also per Zug, getreu dem Slow-Travel-Motto: „Der Weg ist das Ziel.“
Gute zwei Wochen für die Strecke von Bonn nach Valencia, wo die Fähre nach Ibiza und dann weiter nach Formentera ablegt. Mit dem Zug durch die Berge bis an die italienische Mittelmeerküste, dieser folgen bis nach Spanien mit Stopps zum Wandern, Schlendern und Entspannen – so der Plan.
Innsbruck – zum ersten Mal in den Alpen
Ich komme aus dem Norden Deutschlands, und ja, natürlich ist das keine Ausrede, aber mit meiner Familie ging es für den Urlaub immer direkt nach Südeuropa. Deshalb war ich vor diesem Trip tatsächlich noch nie so richtig in den Alpen – wurde also echt mal Zeit.
Mein Interrail-Abenteuer startete mitten in der Nacht in Bonn und führte mich über München nach Innsbruck. Dank nächtlicher Fahrerei hatte ich trotz nur einer eingeplanten Nacht am ersten Tag massig Zeit, um im Kaffeehaus zu frühstücken, mich in der süßen Altstadt treiben zu lassen, im Innsbrucker Hofgarten unter beeindruckender Bergkulisse eine Mittagspause zu machen und die bunten Häuser an der Inn zu bestaunen.
Am nächsten Tag ging es dann endlich in die Berge – frühmorgens mit der ersten Seilbahn und den einheimischen Sonntags-Kletterer*innen zu Innsbrucks höchstem Aussichtspunkt, dem Top of Innsbruck – 2.334 m über der Stadt. Stundenlang verbrachte ich auf der Nordkette mit dem Blick über Innsbruck und über den Naturpark Karwendel, wanderte mit Zeit und ohne Plan umher und beobachtete die mutigen Kletterer*innen. Ich musste mich immer wieder selbst kneifen, dass ich wirklich in den Bergen bin.
Bozen – Wanderschuhe an und los!
Am späten Nachmittag ging es dann auch schon weiter – Alles einsteigen, nächster Stopp: Bozen! Schon bei der Zugfahrt Richtung Südtirol kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die eindrucksvollen Bergkulissen haben es mir richtig angetan, ich konnte mich gar nicht satt sehen. Zum Glück hatte ich mir ganze vier Nächte in der Jugendherberge Bozen gebucht. Dort angekommen ging es für mich erst einmal in die Stadt, die eine wilde Mischung aus österreichischen und italienischen Elementen bereithält: Pizza und Pasta neben dem traditionellen österreichischen Wirtshaus – ulkig und ein ganz eigenes Flair.
Meine Zeit in Bozen bzw. Südtirol bestand eigentlich nur aus Wandern, Wandern, Wandern. Ein gut ausgebautes und wirklich günstiges System aus Bussen und Zügen zu den Wanderspots macht es auch ohne Auto möglich.
Die meiste Zeit verbachte ich auf dem Rittner Hochplateau oberhalb von Bozen. Mit der Seilbahn, die wirklich direkt um die Ecke von meiner Jugendherberge liegt, geht es in knapp 15 Minuten aufs Sonnenplateau. Hier erkundete ich die bekannten Erdpyramiden, kombinierte einige Wanderwege und stieg durch Weinberge wieder hinunter in die Stadt. An einem anderen Tag zog es mich auf die Tuffalm unterhalb des Schlern. Zwischen Pferden, Alpakas, Eseln und Kamelen genoss ich einen warmen Kakao am leider etwas bewölkten Wandertag und schwamm später noch am Völser Weiher, von dem der Aufstieg beginnt. Auch zu empfehlen: die sonnigen Panorama-Wege rund um Bozen vorbei an Weinreben und jederzeit spektakulären Aussichten.
Abends kehrte ich zu Pizza und Pasta in eines der süßen Restaurants der Altstadt ein. Glücklich und zufrieden mit meinen ersten Alpenerfahrungen und mit nun gut eingelaufenen Wanderschuhen ging es zügig weiter.
Genua – die unterschätzte Stadt an der ligurischen Küste
„Wer von euch ist in Genua, um die Cinque Terre zu besichtigen?“ – Die Hälfte unserer Stadtführungs-Gruppe hebt die Hand. „Und wer ist hier, um sich Portofino anzuschauen?“ Fast alle anderen heben die Hand. Meine Hand bleibt als einzige unten. Ich habe mich entschieden, vier Nächte in Genua zu bleiben – eine der besten Entscheidungen. Denn Genua hat unglaublich viel zu bieten: Verschlungene, schmale Gassen in der Altstadt, unzählige prächtige Palazzos im Stadtzentrum, trubelige Piazzas mit besonderer Stimmung, leckere Farinata (Kichererbsenfladen) an jeder Ecke und natürlich die tollen Ausblicke über die Stadt – das Meer immer im Blick, das Gebirge im Rücken.
Okay, ich muss zugeben: auch mich zog es dann doch spontan für einen Tagesausflug in die Cinque Terre, fünf kleine typisch italienische Dörfer, die sich an der Steilküste entlangziehen und komplett von Naturschutzgebiet umgeben sind. Von einem Dorf ins nächste geht es entweder per Wanderweg (oft direkt an der Steilküste entlang) oder per Zug in einigen Minuten. In den Dörfern selbst kann man sich ein Pistaccio-Gelato gönnen, nach anstrengender Wanderung ins kristallklare Wasser springen oder einfach durch die kleinen Gässchen schlendern und sich treiben lassen. Das ist wunderschön und besonders, aber ehrlich gesagt auch gnadenlos mit Tourist*innen überfüllt.
Danach war ich umso glücklicher zurück im entspannten und gar nicht überfüllten Genua zu sein, welches übrigens den süßen Cinque Terre Dörfern in fast nichts nachstehen muss. Denn auch hier gibt es einige typische Stadtteile und Vororte, die sich ähnlich bunt und idyllisch dem Meer zuwenden – inklusive kleiner Strände, an denen man statt Tourist*innen vielmehr auf Einheimische trifft. Und das Beste: Dank gleich mehrere Stadt-Bahnhöfe und niedrigen ÖPNV-Preisen kommt man in Genua super von A nach B. Meine Highlights: zum Sonnenuntergang im Meer bei Bogliasco schwimmen und einen Sundowner am Strand von Boccadasse genießen – mindestens genauso schön wie die Cinque Terre.
On the road – entlang der ligurischen Küste nach Frankreich und Spanien
Immer der Küste entlang – das war mein Plan für die Weiterfahrt von Genua nach Frankreich und dann weiter nach Spanien. Zugegeben: Diese Etappe meiner Reise bestand im Grunde aus zwei Tagen Zugfahren. Aber was für spektakuläre Zugfahrten das waren: die Küste und das Meer beinahe immer im Blick. Am ersten Reisetag stieg ich zwischendurch in kleinen ligurischen Küstenorten aus, setzte mich mit einem Gelato oder Kaffee gemütlich hin, beobachtete das Treiben und zog dann weiter – ein richtiger Interrail-Tag eben.
Nach einem kleinen spontanen Spaziergang vom Bahnhof ans Meer in Nizza, kam ich schließlich abends in meinem Zwischenstopp für die Nacht an, Marseille. Die Strecke von Genau nach Valencia ist dann doch etwas zu lang für einen Tag. In Marseille besorgte ich mir noch schnell etwas zu essen und spazierte durch die nächtliche Altstadt. Aber: Die Stadt kommt definitiv auf die Reiseliste!
Am nächsten Tag ging es dann schon sehr früh weiter: Backpack schultern und zurück zum Bahnhof, diesmal wirklich ein kompletter Zugtag mit den schönsten Aussichten. Von Marseille ging es nach Nimes, von Nimes weiter nach Port-Bou, mal kurz über die französisch-spanische Grenze bis nach Barcelona, das alles mit Regionalzügen und voll inkludiert im Interrail-Ticket. Ab Barcelona hatte ich mir dann einen Sitzplatz im Schnellzug nach Valencia reserviert. Die Bilanz: morgens um 8:30 Uhr los in Marseille und abends um 21:00 Uhr Ankunft in Valencia.
Valencia – zwischen Altstadt, Streetart und grünem Park
Ich weiß nicht, wie es immer wieder passiert, aber irgendwann am Tag lande ich doch im riesigen Jardín de Turia in Valencia. Die grüne Lunge Valencias zieht mich quasi magisch an. Wenn ich mich so umblicke, geht es den Einwohner*innen ähnlich. Gerade abends treffen sich hier die Valencianer*innen um gemeinsam Sport im Park zu machen oder für einen Feierabend-Spaziergang. Ansonsten erkunde ich die Altstadt, bestaune die spannende Streetart und treibe mich in den Tapas-Restaurants der Stadt herum. Ein Besuch auf dem Markt Mercat Central de Valencia ist sowieso Pflicht.
An einem Tag leihe ich mir in der Altstadt ein Fahrrad aus und fahre damit durch den Jardín de Turia, vorbei an der Ciutat de les Arts i les Ciències bis zum Stadtstrand. Am Meer kann man dank gut ausgebauten Fahrradwegen ewig entlangfahren. Mich zog es bis zum kleinen idyllischen Fischereihafen Port Saplatja und nach einer kleinen Mittagspause wieder zurück – herrlich!
Nach einigen Tagen in Valencia geht es schließlich ganz einfach zum Hafen, denn von hier bringt mich die Fähre erstmal nach Ibiza und von dort weiter mit einer kleineren Fähre nach Formentera – wunderschöner Sonnenuntergang über dem Mittelmeer inklusive. Dann ist erstmal Urlaub vom Urlaub angesagt, eine Woche Entspannung pur am Strand. Trotz Nebensaison im Oktober mit super Wetter, aufgewärmten Meer und Sonnenschein pur.
Mein Fazit: Genau so soll der bestimmt bald folgende Interrail-Trip auch aussehen, ganz nach dem Credo Wandern, Schlendern und Entspannen.