Wer heute von Valencias Innenstadt an die weitläufigen Stadtstrände möchte, kann sich Autoverkehr, Straßenlärm und Abgase ersparen. Mit dem Fahrrad geht es durch einen der größten und längsten Stadtparks Europas ans Mittelmeer. Neun Kilometer zieht sich das begrünte Flussbett des Túria bis zum Hafen. Vogelgezwitscher statt Autohupen. Der Duft von Orangenbäumen, Oleandern und Kiefern statt Dieseldunst. Kinder spielen Fußball, eine Yogagruppe übt sich im Schatten der Palmen in meditativen Übungen. Nur die alten Brücken erinnern noch daran, dass sich hier einst ein – inzwischen umgeleiteter – Fluss befand.
Kurz vor dem Hafen stößt man mitten im Flussbett auf Valencias „Stadt der Künste und Wissenschaften“. Man radelt zwischen den futuristischen Bauwerken des weltberühmten valencianischen Stararchitekten Santiago Calatrava. Sein Opernhaus Palau de les Arts Reina Sofía gleicht einem Alien-Kopf, das Planetarium einem riesigen Ei und das Wissenschaftsmuseum liegt in Form eines Dinosaurierskeletts in einem künstlichen Teich.
Die Radtour endet im Fischerviertel El Cabanyal mit seinen endlosen Stränden, an denen sich ein Paella-Restaurant ans andere reiht. Das Reisgericht wurde in Valencia erfunden. Eine der besten Paellas gibt es allerdings in der „Barraca“ von Toni Montoliu, etwas außerhalb der Stadt in der „Huerta“.
Die Gärten vor den Toren der Stadt
Die „Huerta“ ist ein historisches Obst- und Gemüseanbaugebiet nördlich vor den Toren Valencias. Ihr jahrtausendealtes Bewässerungssystem wurde von der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) zum landwirtschaftlichen Welterbe erklärt, weil es auf besonders sparsame und effektive Weise die Anbaufläche mit Wasser versorgt. Auf 12.000 Hektar wächst hier praktisch alles, was Valencias Restaurants und Märkte brauchen: Tomaten, Bohnen, Salate, Orangen und sogar die Erdmandel für die erfrischende valencianische Orxata-Erdmandelmilch.
Frisches Obst und Gemüse braucht Valencia also kaum zu importierten. Hier gibt es regionale und saisonale Kost nach dem gastronomischen Null-Kilometer-Konzept. „Der Fisch kommt frisch im Hafen an. Unser Obst und Gemüse ist in zehn Autominuten in der Stadt. Geringer kann der ökologische Fußabdruck unserer Produkte kaum sein“, meint María José Martínez, die in ihrem Sterne-Restaurant „Lienzo“ ausschließlich saisonale Regionalprodukte in Haute-Cuisine-Version serviert. Nicht umsonst wurde Valencia bereits 2017 als „europäische Hauptstadt für nachhaltige Ernährung“ ausgezeichnet.
Bei Toni Montoliu müsste man sogar fast von einen Null-Meter-Prinzip sprechen. Denn bevor es ans Paella-Kochen geht, führt Toni die Gäste in seinen ans Restaurant angrenzenden Garten, um die notwendigen Zutaten für die Paella selbst zu ernten. Außer den Reis – den bekommt er aus dem südlich an die Stadt grenzenden Albufera-Naturpark, einem der wichtigsten Feuchtgebiete Europas, dessen riesiger Süßwassersee nur durch eine Sanddüne vom Mittelmeer getrennt ist.
In dem Labyrinth aus Sümpfen, Kanälen und Reisfeldern leben über 300 Vogelarten. Jaume Dasí zeigt das Naturjuwel auf spannenden Radtouren und mit seinem elektrobetriebenen Boot. Er hofft, dass bald auch die anderen Bootstourenbetreiber von den alten Dieselmotoren ablassen. Nicht nur aus ökologischen Gründen. „Ohne den Motorlärm kann man den Tieren – vor allem den Flamingos – viel näher kommen“, versichert Jaume.
…
Die ganze Reportage, die Autor Manuel Meyer nur wenige Wochen vor der schweren Unwetterkatastrophe im Südosten Spaniens recherchiert hat, erscheint im Anderswo-Magazin 2025. Valencia wird zum traurigen Beispiel, wie eng Klimawandel und Tourismus zusammenhängen.