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Blick von der Bauernfestung Rasnov auf eine Landschaft aus Wäldern und Bergen

Blick von der Bauernfestung Rasnov / © Katharina Baum

Unterwegs in Siebenbürgen

von Katharina Baum

Transsilvanien kann mehr als Dracula: Zweieinhalb Stunden braucht der Zug von Sibiu ins gerade einmal 90 Kilometer entfernte Sighişoara. Der Grund für die lange Fahrtzeit wird klar, als sich der Zug am Bahnhof in Bewegung setzt: Er fährt mit offenen Türen. Undenkbar? Nicht in Rumänien.

Schnell gewöhnen wir uns an das gemütliche Tempo und genießen den Blick auf die hügelige Landschaft. Entlang der Zugstrecke sieht Rumänien so aus, wie es sich wohl viele Westeuropäer vorstellen: Irgendwie ein bisschen trist, alles in verschiedenen Brauntönen (was an der Jahreszeit liegen mag), kleine Dörfer mit alten, teils verfallenen Häusern. Dazwischen immer wieder einsame Wohnwägen und Schäfer*innen mit ihren Herden. Aber nachdem ich inzwischen schon mehrere Wochen in Rumänien verbracht habe, weiß ich: Das ist nur eine von vielen Facetten des Landes.

Tipps zur Anreise: Mit dem Zug nach Rumänien.

Auf Draculas Spuren

Ich bin vor gut einem Monat für ein Auslandssemester nach Sibiu, zu deutsch Hermannstadt, gekommen – nicht ahnend, wie viel kulturelle und landschaftliche Schönheit und Vielfalt mich hier erwarten würde. Sibiu war 2007 Europäische Kulturhauptstadt. Mit seinem farbenfrohen, lebendigen Stadtzentrum hat es mich vom ersten Moment an verzaubert.

Sibiu liegt in Siebenbürgen – so der deutsche Name Transsilvaniens. Die Lage mitten im Herzen Rumäniens macht es zum perfekten Ausgangspunkt für Erkundungstouren in alle Himmelsrichtungen. So wie heute nach Sighişoara, zu deutsch Schäßburg.

Die charmante kleine Stadt ist bei Tourist*innen als Geburtsstadt von Vlad Țepes bekannt, dem historischen Vorbild für Bram Stokers "Dracula". Die Rumän*innen haben ein gemischtes Verhältnis zu ihrem berühmten Landsmann: Einerseits haben sie es satt, von Ausländer*innen immer nur auf den blutrünstigen Fürsten reduziert zu werden. Andererseits bringt der Dracula-Hype Tourist*innen und damit Geld ins Land.

Während es in den mittelalterlichen Gassen von Schäßburg noch eher ruhig zugeht, ist das „Dracula-Schloss“ Schloss Bran im gleichnamigen Dorf rund ums Jahr von Tourist*innen überlaufen. Dabei ist es historisch nicht einmal gesichert, ob Vlad Țepes sich jemals hier aufhielt.

Land der Schlösser und Burgen

Wer das Schloss Bran besucht, übernachtet meist in Braşov/Kronstadt. Wie viele Orte in Siebenbürgen ist auch Braşov von deutschen Siedler*innen gegründet worden. Davon zeugt heute vor allem die evangelische Kathedrale, genannt die "Schwarze Kirche".

Braşov liegt am Fuße der Karpaten und bietet damit viele Ausflugsmöglichkeiten für Berg- und Outdoorfans.  

Nur 20 Minuten mit dem Zug entfernt (diesmal bei geschlossenen Türen...) liegt zum Beispiel die Kleinstadt Râşnov/Rosenau. Über ihren Dächern thront die mittelalterliche Bauernburg. Von dort aus hat man einen Panoramablick auf die umliegenden Berge. Und wo Berge sind, sind meist auch Skigebiete: In Râşnov gibt es vor allem Loipen und eine Skisprunganlage. Für alpine Skifahrer*innen bietet sich das nahegelegene Poiana Braşov an.

Oder man setzt sich wieder in den Zug und fährt in rund einer Stunde die 50 Kilometer bis nach Sinaia. Die Stadt ist nicht nur als Skigebiet bekannt, sondern auch als ehemaliger Sitz der rumänischen Königsfamilie.

Vom Bahnhof läuft man immer bergauf. Am Ende eines breiten Waldwegs erscheint es schließlich vor einem: Schloss Peleş. Es wurde im späten 19. Jahrhundert für den ersten rumänischen König gebaut. Direkt nebenan liegt die kleinere und deutlich weniger prunkvolle Sommerresidenz der königlichen Familie, Schloss Pelişor.

Das Erbe der Siebenbürger Sachsen

Nicht nur Schlösser und Burgen prägen das rumänische Stadt- und Landschaftsbild. Rund um Sibiu findet man in vielen Städten und Dörfern sogenannte Kirchenburgen. Die deutschen Siedler*innen, bekannt als Siebenbürger Sachsen, bauten im Laufe der Zeit ihre evangelischen Kirchen zu kleinen Festungsanlagen aus. Die Pfarrfamilien der meisten Kirchenburgen sprechen noch heute deutsch.

Einige der kleineren Kirchenburgen, z.B. in Agnita/Agnetheln, wirken verlassen. Die Besucher*innen müssen zur Besichtigung den Schlüssel bei der verantwortlichen Person abholen. Andere, größere Kirchenburgen haben geregelte Öffnungszeiten und verlangen ein geringes Eintrittsgeld.
Besonders sehenswert sind die Kirchenburg von Cisnădie/Heltau und die Wehrkirche im benachbarten Cisnădioara/Michelsberg, die Kirchenburg in Cristian/Großau (hier gibt es auch die meisten Storchennester Rumäniens) und die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Kirchenburg in Biertan/Birthälm.

Landschaftserlebnisse

Einige Reiseveranstalter bieten geführte Touren zu den Kirchenburgen an. Bei solchen Ausflügen sieht man viel von der siebenbürgischen Landschaft und dem Kleinstadtleben. Dass dabei eine Kuh- oder Schafherde mal die Straße blockiert, muss man allerdings in Kauf nehmen.

Weitere landschaftliche Highlights sind die Passstraße Transfăgărășan und Transalpina.

Ab Sibiu kann man eine Bustour durch die Transfăgărășan buchen. Am Anfang der Straße bieten Bauern an ihren Ständen Schafskäsespezialitäten zum Verkauf an. Danach zieht sie sich in engen Serpentinen durch die Fogarasch'en Berge, bis zum Bâlea- See. Im Winter kann man auf halber Strecke aussteigen und mit der Seilbahn nach oben fahren. Aus dem Eis des gefrorenen Sees wird jedes Jahr ein Eishotel gebaut.

Weniger erschlossen ist die Transalpina. Der herausfordernde Anstieg mit dem Fahrrad lohnt sich allerdings: Dichte Wälder, ein riesiger Stausee und eine Abfahrt durch viele kleine rumänische Dörfer. Dort sieht man nicht selten die Bäuer*innen noch mit Pferd und Wagen arbeiten. Es gibt auch geführte Radreisen durch die Karpaten, die ebenfalls durch die Transalpina führen.

Tief unter der Erde

Am besten mit dem Bus erreicht man dagegen eine weitere siebenbürgische Stadt: Cluj-Napoca/Klausenburg. Die Stadt ist ebenfalls von deutschen Siedler*innen gegründet, steht heute aber eher unter ungarischem Einfluss. Von der Eleganz und Farbenfreude Sibius, Brașovs oder Sighișoaras ist hier nichts zu sehen. Es ist laut und dreckig – wie eine geschäftige Großstadt eben. Keine Stadt, die man um ihrer selbst wegen besucht. Kulturell hat Cluj zwar auch einiges zu bieten, besonders bekannt ist es aber als Student*innenstadt.

Ein Kuriosum findet man entlang der Strecke von Sibiu nach Cluj: Die Salzmine Turda. Wo früher Salz abgebaut wurde, gibt es heute einen kleinen Vergnügungspark. Die gewaltigen unterirdischen Stollen beherbergen ein Riesenrad, Bowlingbahnen und sogar einen unterirdischen See, auf dem man Ruderboote mieten kann. Ein verrücktes Gefühl, so tief unter der Erde im Halbdunkeln in einem kleinen Boot zu sitzen.

Nach dem Trubel in Cluj bin ich froh, wieder nach Sibiu zurückzukehren. Der Weg vom Busbahnhof nach Hause führt mich einmal quer durch das schöne Stadtzentrum. Als ich aus der Fußgängerzone trete, sehe ich in der Ferne die Bergspitzen der Karpaten. Meine Ausflüge in alle Winkel Siebenbürgens haben mir mehr als deutlich gezeigt: Transsilvanien kann mehr als Dracula.

Mehr Informationen

Alle Infos zur klimafreundlichen Anreise mit dem Zug nach Rumänien haben wir unter Anreise > Rumänien zusammengestellt. Auch eine Anreise mit dem Bus ist möglich, zum Beispiel ab München.
Übrigens: Wer ein Ticket für einen rumänischen Fernzug kauft, erhält automatisch eine Sitzplatzreservierung.

Hier geht es zu den Anderswo-Reiseveranstaltern mit Zielen in Rumänien.

 

 

Reiseveranstalter

Geführte Rad-, Wander- und/oder Kanureisen durch Rumänien bieten zum Beispiel Wikinger Reisen, WeltWeitWandern und Natours an.

Der Veranstalter For Family Reisen bietet eine familienfreundliche Reise nach Siebenbürgen mit Ausgangspunkt Sibiu. Auch Rucksack Reisen hat eine Familiereise nach Siebenbürgen im Programm.

Fairway hat für jeden Geschmack etwas im Programm: Eine Zugrundreise, eine Aktivreise und Rumänien entdecken mit Kindern. Die Reiseideen für Rumänien von Fairway ...

Wer sich in Rumänien alleine auf Wanderung begeben möchte, sollte sich vorher gut informieren, denn in den Karpaten gibt es neben anderen Wildtieren die größte Braunbären-Population Europas. Im Tal muss man sich stellenweise vor Rudeln wilder Straßenhunde in Acht nehmen. Ein Gespräch mit Einheimischen ist daher vor einer ungeführten Wanderung dringend empfehlenswert.