An Prag kommt man aktuell kaum vorbei. Mehrere Filme und eine Serie zum 100. Todestag des in Prag geborenen Schriftsellers Franz Kafka rücken die tchechische Hauptstadt ins Rampenlicht. So entschied sich Anderswo-Kollegin Dorothee Kern ganz spontan für Prag als Ziel ihrer Frühlings-Radreise. Und auch die Route stand schnell fest: Statt des häufiger gewählten Radfernwegs entlang Elbe und Moldau ging es diesmal über den unbekannteren Radfernweg München–Regensburg–Prag.
Tschechien per Rad erkunden
Wir entschließen uns für den rund 220 km langen tschechischen Abschnitt, eine abwechslungsreiche Route mit rund 1900 Höhenmetern, mal auf unbefestigten Wegen, mal auf wenig befahrenen Nebenstraßen – gerade recht für eine mehrtägige Tour mit einem geländegängigen Fahrrad. Unterwegs locken kleine Städte mit malerischen Plätzen, die Biermetropole Pilsen, imposante Schlösser, ein Abstecher zur Burg Karlstein und nicht zuletzt das Ziel: die alte Kaiserstadt Prag an der Moldau.
Bergauf, bergab bis Pilsen
Direkt an der Bahnlinie München–Prag liegt Furth im Wald, ein guter Ausgangspunkt für die Radtour. Die Grenze nach Tschechien ist nur ein paar Kilometer entfernt. Keine Kontrolle, nichts, nur ein Schild kündigt die tschechische Republik an. Ab jetzt folgen wir nicht mehr dem weißen Schild mit grünem Fahrrad, das uns auf der deutschen Strecke den Weg gewiesen hat, sondern dem gelben mit der Nr. 3, das jede Abzweigung zuverlässig anzeigt. Auf den nächsten Kilometern kurven wir durch die Ausläufer des Böhmerwalds, überqueren den ein oder anderen Bachlauf und laufen bald in Domažlice ein, wo wir die erste Übernachtung gebucht haben. Die Pension Family ist schnell gefunden, für die Räder gibt es einen kleinen Verschlag im Innenhof, und gleich um die Ecke reihen sich prächtige Bürgerhäuser mit Laubengängen entlang des historischen Marktplatzes. Die ganze Innenstadt steht unter Denkmalschutz.
Am nächsten Tag lockt ein kleiner Umweg: Steil hinauf führt ein Trampelpfad zu markanten Skulpturen aus Granit und Holz, die an die Kriege der vergangenen Jahrhunderte erinnern. Auch wenn man das Rad ein Stück schieben muss, oben angekommen könnte die Aussicht auf die waldreichen Berge des Böhmerwalds kaum besser sein.
Jeder Ort entlang der Route birgt ein weiteres Highlight: In Horšovský Týn ist es die prächtige Schlossanlage mit den geschwungenen Dächern, in Dobřany der von altehrwürdigen Bürgerhäusern umrahmte zentrale Platz mit seinem alles überragenden Glockenturm. Jetzt ist es nicht mehr weit bis Pilsen, das legendäre Pilsener Urquell wartet schon.
Hier gibt es mehr Informationen zu einem Aufenthalt in Pilsen
Auf den Spuren des tchechischen Biers
"Jedno pivo, prosim! Ein Bier, bitte!" – Das Nationalgetränk in Tschechien muss man nicht lange suchen. Entlang des Radwegs gibt es immer wieder Hinweisschilder auf lokale Bierstuben. Und je näher man Prag kommt, desto häufiger laden sie zu einem Zwischenstopp ein. Wer sein Lieblingsgetränk in der Fahrradtasche hat, findet auch abseits der Biergärten immer wieder nette und überdachte Picknickplätze entlang der Strecke. Die praktischen Holzkonstruktionen schützen gleichermaßen vor Sonne wie vor Regen. Wir haben Glück mit dem Wetter, aber falls es doch mal zu viel regnen sollte, kann man jederzeit in die Bahn umsteigen, denn die Bahnstrecke verläuft hier streckenweise parallel zum Radfernweg.
Auch wenn es nicht mehr weit bis Prag ist: Es gibt zu viel zu entdecken, um die Strecke schnell hinter sich zu bringen. In Dobřiv fällt der Blick auf eine Bogenbrücke aus dem 17. Jahrhundert. Auf der anderen Bachseite ist noch ein mit Wasserkraft betriebenes Hammerwerk aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Hier wurde einst Eisen verhüttet. Zur prächtigen Anlage von Schloss Horschowitz in Hořovice gehört ein reizvoller Garten mit Alleen und Statuen, der zu einem Spaziergang einlädt. Erreicht man das Tal des Flusses Berounka, ist ein Ausflug ins Mittelalter auf Burg Karlstein angesagt. Nicht umsonst zählt die eindrucksvolle Anlage mit dem mächtigen 60 Meter hohen Turm zu den Top Sehenswürdigkeiten Tschechiens. An gemütlichen Übernachtungsmöglichkeiten herrscht auch kein Mangel, und fürs Fahrrad findet sich immer ein sicheres Plätzchen, und sei es in der Ecke des Frühstückraums.
An Berounka und Moldau entlang
Ab Cernošice schlängeln sich die Berounka wie auch der Radweg malerisch durch das Flusstal bis zur Moldau. Die Bebauung wird dichter, diverse Vororte kündigen bereits unser Ziel, die Kafka-Geburtsstadt Prag an. Erwartungsvoll schauen uns drei überlebensgroße Bronzefiguren kriechender Babys am Kampa Museum entgegen. Die weltberühmte Karlsbrücke ist am Horizont schon in Sicht, und spätestens hier ist klar: Wir haben es geschafft! Das Ziel unserer Radreise ist erreicht.
Für den Rückweg nach Furth im Wald testen wir die tschechische Bahn. Eine hilfsbereite Angestellte am Schalter im Bahnhof organisiert uns in kürzester Zeit die Fahrkarten. Aber bevor wir uns auf die Heimreise machen, nehmen wir uns noch genug Zeit, um die Altstadt auf den Spuren von Franz Kafka zu erkunden.
Dorothee Kern