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Der Vulkan Stromboli gehört zu den aktivsten der Erde. / © Thinkstockphotos

Liparische Inseln: Vulkanismus zum Anfassen

von Regine Gwinner

Wer den Vulkan Stromboli auf der gleichnamigen Insel in Italien besteigt, kann ins Erdinnere schauen.

Die Liparischen Inseln (auch Äolische inseln genannt) sind das perfekte Reiseziel für einen Abenteuer-Aktivurlaub mit Kindern.

Vulkane faszinieren die Menschheit seit Tausenden von Jahren. Sie zeigen, wie dünn der Erdmantel an vielen Stellen ist und wie vergänglich all die Errungenschaften der Zivilisation angesichts dieser unglaublichen Naturgewalten immer bleiben werden. Man muss nicht weit reisen, um Vulkanismus zu erleben. Viele deutsche Mittelgebirge sind vulkanischen Ursprungs und bergen heute noch alle Zeichen ihrer bewegten Vergangenheit.

In Süditalien sind einige Vulkane heute noch aktiv, allen voran der Stromboli auf den Liparischen Inseln, nördlich von Sizilien. Er ist der einzige Vulkan weltweit, der fast ununterbrochen Gestein und Magma aus dem Erdinneren nach oben befördert. Da er außerdem ein angenehmes Klima, schöne Lavastrände und ein weltoffenes, buntes Publikum hat, kann man dort Geologie und Urlaub wunderbar verbinden.

Es ist fünf Uhr morgens. Die große Autofähre schwimmt auf einer Insel aus Licht. Ringsherum ist es dunkel. Die Nacht ist kühl und verregnet. Verschlafen und fröstelnd, die Kapuzen der Regenjacken tief ins Gesicht gezogen, stehen die Passagiere auf dem Vorderdeck und starren in die Finsternis. Dort irgendwo muss er sein, der Vulkan. Plötzlich zeichnet sich gegen roten Feuerschein die Silhouette eines Berges in der Dunkelheit ab. Und dann – wie bei André Heller bestellt – kommt der Feuerstoß: Eine Fontäne aus glühendem Gestein schießt eindrucksvoll gen Himmel. Der Stromboli heißt seine Besucher willkommen.

Urlaub auf einem aktiven Vulkan? Das klingt gefährlich. Aber als die Fähre in der Morgendämmerung am Anleger von Stromboli festmacht, ist der Vulkan erst einmal vergessen. Die Bars am Hafen haben für die frühen Gäste geöffnet. Auf der Uferpromenade duftet es nach Kaffee und frischem Gebäck. Die Neuankömmlinge lassen Koffer und Rucksäcke an der Straße stehen und gehen erst einmal frühstücken. Jetzt im Herbst kommt die große Fähre von Neapel nur zweimal die Woche herüber. Da sind alle auf den Beinen, um Reisende an Bord zu bringen, Gäste zu begrüßen oder einfach nur zu schauen, wer kommt oder wer die Insel verlässt.

Ein mediterraner Traum

Weiß gekalkte Häuser, leuchtend blau gestrichene Türen und Fensterläden: Der kleine Ort Stromboli am Fuß des Vulkans ist die Essenz eines Mittelmeerdorfes. Bunte Blumentöpfe zieren Treppen und Vorsprünge. In den Gärten hängen die Bäume voller Mandarinen, Orangen und riesiger Pampelmusen. In den Rabatten wachsen Kiwi und Auberginen. Jasmin-, Hibiskus-, Clematis-, Bougainvillea- und Oleandersträuche wuchern über die Gartenmauern. Ihr Duft füllt die engen Gassen und begleitet die Spaziergänger auf dem Weg hinunter zum Strand oder hinauf bis an den Rand des Dorfes, wo die Macchia beginnt.

"Vulkanasche ist extrem fruchtbar", sagt Barbara, eine Österreicherin, die schon lange auf der Insel lebt und vieles von dem, was sie braucht, in ihrem üppigen Garten erntet. "Deshalb war Stromboli schon immer der Gemüsegarten der umliegenden Inseln."

Gewohnt haben die Menschen hier lange Zeit nicht so gerne. Zu unheimlich war ihnen der ständig fauchende, krachende und Feuer speiende Vulkan. 1930 vertrieb ein großer Ausbruch die Bewohner fast völlig. Heute leben wieder etwa 400 Menschen auf Stromboli. Für die Touristen, die vor allem in den Sommermonaten die Insel bevölkern, ist der Vulkan die Hauptattraktion.

Vulkanbesteigung

Nachmittags zwischen vier und fünf Uhr ist in der kleinen Gasse zwischen Schule und Kirche die Hölle los. Hier liegt das Büro von Magmatrek, dem Exkursionsteam, das die täglichen Wanderungen zum Kraterrand organisiert. Nachdem 2002 und 2003 mehrere Explosionen, Lavaströme und größere Ausbrüche den Stromboli zu einem unberechenbaren Ungeheuer machten, hatte die Inselverwaltung die ganze Region rund um den Krater zum Sperrgebiet erklärt. Erst seit Mai 2005 dürfen die Inselgäste den Stromboli wieder besteigen, allerdings in begrenzter Zahl und nur mit Führer in organisierten Gruppen.
"Früher haben die Touristen am Kraterrand übernachtet. Es waren jeden Abend hunderte da oben. Da wäre eine Explosion eine unberechenbare Katastrophe gewesen", sagt Magmatrek-Führer Lorenzo. "Jetzt können maximal 80 Menschen bei einem Ausbruch sterben, aber von denen haben wir die Namen und wissen, woher sie kommen."

Vor dem großen Ausbruch 2003 führte der Aufstieg auf den Gipfel direkt am Rand der Sciara del Fuoco, der Feuerrutsche entlang, auf der die Gesteinsbrocken, die oben aus dem Krater geschleudert werden, ins Meer hinunterrollen. Den oberen Teil dieses Wegs hat die Explosion zerstört.
Der neu angelegte Aufstieg führt auf der Rückseite des Vulkans steil bergan. Fast 1000 Höhenmeter müssen die Wanderer bewältigen, um vom Gipfel aus in den aktiven Krater blicken zu können. Die Wanderung selbst ist bereits ein Erlebnis. Zuerst begleiten noch Macchia und Bambusfelder den Weg. Aber die Vegetationsgrenze ist schnell überschritten. Was bleibt, ist rötlicher Fels und steile, schwarze Aschehänge.

Mit jedem Höhenmeter weitet sich der Blick. Immer kleiner wird das Dorf unten. Bald reicht die Sicht bis hinüber zur italienischen Küste. Immer mehr Nachbarinseln tauchen auf, und fast meint man, im Süden auch Sizilien erkennen zu können. Die Wetterverhältnisse sind nicht gerade optimal. Entlang der Küste bilden sich Gewittertürme. Der Gipfel ist in einer dicken Wolke verborgen. "Es kann sein, dass wir gar nichts sehen", warnt Lorenzo. "Wenn der Wind dreht, müssen wir ganz schnell runter, weil dann die giftigen Gase auf uns zutreiben. Und es kann sein, dass sich die Gewitter, die man entlang der Küste sieht, auf uns zu bewegen."

Tatsächlich wabern bald Wolkenfetzen über den felsigen Weg und verschlucken den vorangehenden Führer. Zwei Stunden Aufstieg für nichts? Der Rucksack mit dicker Jacke, Windschutz, Mütze, Wasser und Proviant lastet immer schwerer auf den Schultern. Aber kurz darauf ist die Wolkendecke durchschritten, und der Gipfel steht klar und unverhüllt gegen den Abendhimmel. Auch die Windrichtung stimmt. Lorenzo sammelt die Gruppe um sich. 800 Höhenmeter sind erreicht. Nun müssen alle die mitgebrachten blauen Helme aufsetzen. Immer noch ist von vulkanischer Aktivität nichts zu sehen.

Am Kraterrand

Die Dämmerung ist hereingebrochen, als die Gruppe das letzte Stück des Aufstiegs in Angriff nimmt. Noch einmal geht es steil über die Felsen, dann wird der Weg flacher und führt über einen aus reiner Vulkanasche bestehenden Grat. Und plötzlich ist er wieder da, der Stromboli. Zwei, drei Schritte noch, dann steht die Gruppe an einem steilen Abbruch und schaut direkt ins brodelnde Magma. Nicht ein großer runder Krater, sondern fünf oder sechs rot glühende Erdöffnungen tun sich dort unten auf. Gasexplosionen schießen Feuerfontänen gen Himmel, heißes Magma verteilt sich in der Umgebung und bleibt glühend liegen, springbrunnenartig sprudelt es aus den Kratern.
Inzwischen ist es dunkel geworden. Der Horizont wird von Blitzen erleuchtet. Himmel und Hölle wetteifern um die Aufmerksamkeit des Beobachters. Lorenzo wird unruhig: "Zehn Minuten gebe ich euch noch, dann müssen wir runter", sagt er. Und er erklärt: "Ein hoher, spitzer Berg mitten im Meer. Wenn der Blitz irgendwo einschlägt, dann hier." Das überzeugt. Der Stromboli tut alles, um in diesen zehn Minuten bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Mit lautem Fauchen und einem riesigen Feuerstoß schleudert er Gesteinsbrocken bis auf die Höhe der am Kraterrand sitzenden Zuschauer.

"Auf der einen Seite fühlt man sich erhaben und fast allmächtig, wenn man so von oben ins Erdinnere schaut. Auf der anderen Seite weiß man, wie klein und ausgeliefert man angesichts der Kräfte ist, die da herrschen", fasst eine Teilnehmerin ihre Gefühle angesichts dieses Schauspiels zusammen.
Nun lässt die Natur von zwei Seiten die Kräfte spielen: Wetterleuchten von oben, Feuerstöße von unten. Da hat keiner mehr etwas gegen den raschen Abstieg. Eine knappe Stunde geht es im Dauerlauf bergab. Dann, als das rettende Dorf fast erreicht ist, öffnet der Himmel die Schleusen. Klatschnass und schwer beeidruckt sammelt sich die Gruppe im Büro von Magmatrek.

Auf dem Heimweg erleuchten nur wenige Straßenlaternen das kleine Dorf. Das Gewitter ist vorüber. Es hat aufgeklart. Millionen von Sternen stehen am Himmel. Die Milchstraße ist klar zu sehen. Der Vulkan liegt wieder hinter der Bergkuppe im Dunkeln. Aber manchmal, wenn er all seine Kraft auf einen einzigen Feuerstoß konzentriert, sieht man die Rauchwolke über dem Gipfel rot aufleuchten.

Reiseveranstalter

Eine Reise mit Bahn und Schiff auf die Liparischen Inseln, die Vulkane, Wandern und gutes Essen verbindet, bietet: Siabella ... natürlich reisen, Tel.: +49 (0)511 2137-375,
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Anreise

Die Liparischen Inseln sind über die Häfen Neapel und Milazzo zu erreichen. Von Neapel aus fährt man am besten über Nacht, von Milazzo aus dauert die Überfahrt je nach Ziel bis zu zwei Stunden. Beide Häfen sind von Deutschland aus gut mit Nachtzügen zu erreichen.

Sehen Sie dazu auch unser Anreiseinformationen zu Italien und Sizilien