Anderswo: Elisabeth, wann stand für dich definitiv fest, dass du euer familiengeführtes Hotel Der Löwe übernehmen willst?
Elisabeth Madreiter: Das war lange für mich gar nicht so klar. Ich habe zwar immer gern – oder zumindest meistens gern – im Hotel mitgearbeitet. In der Jugendzeit war das natürlich nicht immer so toll, wenn man am Abend arbeiten musste, während die Freund*innen etwas unternommen haben, aber das sehe ich heute nicht mehr so eng. So ab 19 kam eine Phase, in der war ich mir ganz sicher, dass ich das Hotel gar nicht übernehmen will. Aber irgendwann musste ich mir dann doch eingestehen, dass dieses Unternehmen meine Berufung ist und dass ich es doch gerne auf meine Weise weiterführen möchte. Die finale Entscheidung ist dann so richtig erst 2023 gefallen. Seither arbeite ich auch wieder aktiv im Hotel mit und bin sehr dankbar für die Unterstützung von meiner ganzen Familie - meiner Schwester Anna, meiner Mama, meinem Papa, meinem Freund, Onkel, Tanten und natürlich unserem löwenstarken Team!
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Wissenswertes zum Thema Hotel-Übergabe: Schritt für Schritt zum Erfolg
Was hat dich mit 19 so stark ins Zweifeln gebracht, dass du schon auf dem Absprung warst?
Ich habe schon früh den Druck gespürt, das Hotel übernehmen zu müssen. Dagegen wollte ich mich einmal klar abgrenzen. Das war der Hauptgrund.
Ein weiterer Grund sind die hohen Erwartungen, die Gäste inzwischen an Hotels haben. Den Menschen hier in Europa geht es sehr gut, oft zu gut. Trotzdem gibt es Gäste, die unrealistische Anforderungen an die Perfektion von Hotels stellen beziehungsweise die wichtigen Dinge im Leben mit unwichtigen Dingen verwechseln.
Diese Art von Perfektionismus in der Hotelbranche vertrete ich nicht. Ich bin der Meinung, dass man nicht ständig dem neuesten Standard hinterherlaufen muss – und werde darauf auch in Zukunft keinen allzu großen Wert legen. Für mich steht im Vordergrund, dass sich die Gäste wohlfühlen, eine schöne Zeit haben und dass die menschlichen Werte stimmen. Der materielle Luxus ist für mich gegenüber dem guten Miteinander zweitrangig.
Daher fördern wir auch besondere Erlebnisse im Urlaub und bieten seit neuestem auch Pinzgauer Kochkurse, Töpfer-Workshops, Cocktail-Kurse, Baum-Pflanzaktionen und Yoga an, damit unsere Gäste viele Special Moments mit nach Hause nehmen können.
Hinter den Kulissen der Betriebsübergabe
Du hast also offensichtlich schon Ideen, wie du das Hotel Der Löwe neu gestalten möchtest. Wie funktioniert die Betriebsübergabe konkret? Das ist bestimmt ein langwieriger Prozess.
Ja, genau. Die Übergabe ist ein langfristiger und komplexer Prozess. Das braucht Zeit – sowohl für die Elterngeneration, die ja loslassen und sich zurücknehmen muss, als auch für mich. Für meine Eltern war unser Hotel immer der Lebensmittelpunkt. Das kann man ihnen nicht einfach so wegnehmen. Aber auch ich brauche Zeit, um mich Schritt für Schritt an meine zukünftige Rolle heranzutasten. Wir – meine Eltern, meine Schwester und ich – unterstützen uns gegenseitig. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung. Aber mit Verständnis und Geduld haben wir bisher gemeinsam immer eine Entscheidung gefunden.
Auch die rechtlichen Aspekte müssen geklärt werden. Eine Hotelübergabe dauert in der Regel 5 bis 10 Jahre. Wir haben im Herbst 2023 begonnen, uns intensiv damit auseinanderzusetzen. Wir haben einen externen Berater hinzugezogen und mit ihm einen Zeitplan erstellt. So legen wir fest, wann welche Schritte erfolgen, um Konflikte zu vermeiden – die leider in solchen komplexen Prozessen leicht entstehen. Die Betriebsübergabe ist ja auch ein emotionales Thema. Gerade bei der Betriebsübergabe innerhalb der Familie ist es wichtig zu lernen, wie man diesen Prozess gemeinsam gestaltet, ohne dass es zu Spannungen kommt.
Dich an deine neue Rolle herantasten: Heißt das über Ausbildung und Studium hinaus, das eigene Haus nochmal von Grund auf kennenzulernen?
Als Hotelier muss man sich in allen Abteilungen richtig gut auskennen – sei es im Service, in der Küche, an der Rezeption, im Marketing, im Housekeeping oder in der Technik. In all diesen Bereichen sollte man sich mindestens zu 60 % auskennen, um sichere Entscheidungen treffen zu können.
Genauso wichtig ist es, dass man gerne mit den Gästen zu tun hat und eine familiäre, herzliche Atmosphäre schaffen kann. Offenheit gegenüber Menschen, das Führen von Gesprächen und echtes Interesse – das sind für mich wesentliche Bestandteile des Handwerks der Hotellerie. Diese Vielfalt ist es, die ich an meiner Arbeit besonders schätze.