Fast die Hälfte der Familienunternehmen plant laut ifo Institut, ihren Betrieb in den nächsten drei Jahren in neue Hände zu übergeben. Ein großflächiger Generationenwechsel, der auch in der Tourismusbranche bereits in vollem Gange ist.
Bei den Blaue Schwalbe-Unterkünften sind es überraschend häufig die eigenen Kinder, die in die Familienunternehmen einsteigen – gut ausgebildet, mit internationaler Erfahrung und neuen Ansätzen. Begeisterung, Engagement und Vorbildfunktion zahlen sich anscheinend auch beim Generationenwechsel aus.
Wir haben mit Vertreter*innen der „Next Generation“ gesprochen und sie nach ihrer Motivation und ihren Plänen gefragt.
Aus Praterstern wird Urban Jungle
Bereits im fünften Jahrzehnt empfängt Familie Resch/Sobotka Gäste in der Mayergasse 6 in Wien. Während die erste Generation noch ein konventionelles Stadthotel betrieb, baute die zweite Generation das Hotel Praterstern nach und nach zur Öko-Oase in der österreichischen Hauptstadt um. Das Praterstern war eines der ersten mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichneten Hotels im Land.
Nun haben mit Barbara und Benjamin 2023 zwei Vertreter*innen der dritten Generation das Hotel übernommen – mit neuen Ideen und neuem Konzept: Aus Praterstern wurde Urban Jungle. Ein großes Thema bei der Übergabe: die Work-Life-Balance, an die in vielen Familienbetrieben angesichts des Rund-um-die-Uhr-Einsatzes kaum zu denken ist. Barbara und Benjamin haben ihr neues Konzept so entwickelt, dass sich volles Engagement für Haus und Gäste dennoch mit Familienleben und weiteren beruflichen Tätigkeiten vereinbaren lassen.
Wie das klappt? Statt klassischem Hotelbetrieb und 24-Stunden-Rezeption haben sie zwölf Apartments geschaffen – alle inklusive Kochmöglichkeit, sodass sich die Gäste selbst versorgen können. „Klar sind wir im Notfall vor Ort, aber man hat so einfach die Möglichkeit, sich mehr freizuspielen und sich die Zeit besser einzuteilen“, erklärt Benjamin Sobotka die Vorteile der neuen Ausrichtung.
Was ist neu, was bleibt?
Beide Geschwister haben schon jung damit begonnen, im Familienbetrieb mitzuarbeiten. „Ich hab schon regelmäßig im Frühstücksservice gearbeitet, als meine Großmutter das Haus noch betrieben hat“, erzählt Barbara Resch. Im Duo mit ihrem Bruder ist sie vor allem für die betriebswirtschaftlichen Fragen zuständig.
Auch Benjamin sprang regelmäßig an der Rezeption oder an anderen Stellen ein. Der Gedanke, mal in den elterlichen Betrieb einzusteigen oder diesen gar zu übernehmen, lag daher beiden Geschwistern nah. Daher startete Benjamin seine Ausbildung an einer klassischen Tourismusfachschule. „Die hat mich dann aber eher abgeschreckt, weil sie so konservativ war“, erzählt er. „Zum Beispiel durfte ich mir dort die Haare nicht wachsen lassen. Also hab ich entschieden, dass ich etwas anderes, etwas Kreativeres, machen möchte.“ So führte sein Weg zuerst in die Werbebranche, bevor er sich wieder dem Hotelfach zuwandte. Ein nützlicher Umweg, denn das Marketingwissen kommt ihm jetzt zugute. Ebenso wie seine Liebe zu Pflanzen, die ebenfalls als zentrales Element in das Urban-Jungle-Konzept eingeflossen ist.
Frischer Wind in der Küche
Was zieht die junge Generation zurück in den elterlichen Betrieb: Verpflichtung? Liebe? Visionen? Das Biohotel Steineggerhof ist schon lange Vorreiter in Sachen Bio, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Seit 2020 verstärkt Tochter Lisa das Team. Als Veganerin hat sie maßgeblich zur Neuausrichtung der Bioküche und zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung und Klimaschutz beigetragen. Während Vater Kurt als Koch die neuen Ideen in die Tat umsetzt, berechnet Lisa den Fußabdruck der eingesetzten Lebensmittel und zeigt im neuen Kochbuch des Hauses, wie köstlich die veganen Optionen sind.
Schwester Natalie hat sich unterdessen einen Kindheitstraum erfüllt. Sie hat den Bauernhof, auf dem Mutter Sonja aufgewachsen ist, übernommen und in einen Biohof mit eigener Käserei und Hofladen verwandelt.
Next Generation auf Reisen
Auch bei den nachhaltigen Reiseveranstaltern steht der Generationenwechsel an. Und auch hier zeigt sich: Die Begeisterung der Elterngeneration springt auf die nächste Generation über.
Ein Beispiel: Katrin Streicher, die vor zwei Jahren ins elterliche Reiseunternehmen ReNatour eingestiegen ist. Das war nicht unbedingt immer ihr Plan. Die 28-jährige ehemalige Leistungsschwimmerin hatte zuerst mit einem Sportstipendium in den USA studiert und die Welt bereist, bevor sie 2020 wieder nach Deutschland zurückkehrte. Die positive Verbindung zum Familienunternehmen hatte bei ihr – anders als bei vielen „Hotelkindern“ – mit der Nahbarkeit der Eltern zu tun.
„Meine beiden Geschwister und ich fanden es immer toll, dass meine Eltern eine Firma führen. Am Anfang gab es nur ein kleines Büro ohne Mitarbeitende“, erinnert sie sich. „Für uns war es ein Luxus, nach dem Kindergarten und später nach der Schule immer gemeinsam mit unsren Eltern zu Mittag zu essen. Außerdem haben wir es geliebt, die Reiseziele, die später bei ReNatour ins Programm kamen, vorher mit der Familie auszuprobieren – vor allem, als wir das Segeln für uns entdeckt haben.“
Eine Familien-Anekdote: Als der kleine Bruder in der Schule gefragt wurde, was die Eltern beruflich machen, habe er geantwortet: „Meine Eltern, die machen nur Urlaub.“
Sybille und Roland Streicher gehören zu den Pionieren des Öko-Tourismus in Deutschland. Als sie 1994 die Idee hatten, sich als Reiseveranstalter mit ausschließlich nachhaltigem Angebot selbstständig zu machen, traute ihnen kaum jemand zu, die nächsten zwei Jahre wirtschaftlich erfolgreich zu überstehen. Inzwischen ist der auf Familien- und Wanderreisen spezialisierte Veranstalter seit drei Jahrzehnten erfolgreich am Markt und breit aufgestellt. Neben einer großen Palette an Europa-Reisen betreibt ReNatour auch zwei eigene Hotels auf Korfu.
Tochter Katrin hat sich ebenfalls viel vorgenommen: Im kommenden Jahr soll im Altmühltal ein ganz neues von ReNatour betriebenes Familiencamp auf einer Flussinsel entstehen. „Eine riesige Herausforderung“, verrät sie. „Ich bin froh, dass ich meine Eltern dabei im Rücken habe. Ohne sie hätte ich mir das vermutlich nicht zugetraut.“
Interview
"Ein Ort der Gastfreundschaft, Achtsamkeit und Inspiration"
Drei Fragen an Cristina Mathis & Matteo Previsdomini, die seit dem Sommer 2024 die über 30 Jahre gewachsene Tradition der Casa Santo Stefano behutsam weiterentwickeln
Was hat euch motiviert, ein Gästehaus im Tessin zu übernehmen?
Mit der Casa Santo Stefano haben wir uns einen langjährigen persönlichen Wunsch erfüllt. Wir haben ein Lebensgefühl gefunden, das uns erfüllt, und möchten dieses mit unseren Gästen teilen. Unser Zuhause soll auch für sie zu einem besonderen Rückzugsort werden.
Wo setzt ihr eigene Akzente – beim Ambiente, bei den Angeboten?
Als neue Besitzer setzen wir die bestehende Tradition der Casa Santo Stefano mit Liebe und Respekt fort. Unsere Casa ist ein Ort der Gastfreundschaft, Achtsamkeit und Inspiration. Wir legen Wert auf Qualität, Individualität und eine bewusste Tischkultur. Durch unsere Leidenschaft für Kunst, gutes Essen und Yoga schaffen wir einen Raum, in dem unsere Gäste ihren Alltag hinter sich lassen, innere Balance finden und die Schönheiten des Malcantone mit allen Sinnen erleben können.
Worauf können die Stammkund*innen der Casa Santo Stefano auch weiterhin zählen?
Unsere historischen Tessiner Häuser bieten ein ganz besonderes Ambiente, das wir selbstverständlich erhalten. Die historische Bausubstanz kombinieren wir mit modernem Komfort. Dazu kommt die persönliche Betreuung unserer Gäste und eine große Vielfalt an ganzheitlichen Aktivitäten.