Anderswo: Wie war es für euch als Kinder in einem familiengeführten Hotel in Wien aufzuwachsen?
Barbara Resch: Wir waren von klein auf in den Betrieb involviert. Wir sind oft vor Ort gewesen und haben daher viel von den täglichen Abläufen mitbekommen. Es hat mir auch in der Ausbildung viele Vorteile gebracht, weil ich immer für alles, was wir gelernt haben, ein Praxis-Beispiel parat hatte. Schon während meiner Schulzeit habe ich beim Frühstück, damals noch meiner Großmutter, ausgeholfen. Ab achtzehn habe ich auch während meines Studiums regelmäßig am Wochenende an der Rezeption gearbeitet.
Benjamin Sobotka: Wir haben viel Zeit in dem Betrieb verbracht und konnten so schon als Kinder einiges lernen. Auch ich habe während meiner Schulzeit immer dann, wenn Unterstützung benötigt wurde, an der Rezeption und generell im Betrieb ausgeholfen. Nach meinem Schulabschluss wurde mir aber klar, dass ich fürs Erste noch nicht in den elterlichen Betrieb einsteigen und etwas Eigenes schaffen möchte, weshalb ich nach meinem Studium eine Werbeagentur gegründet habe, die ich auch noch bis heute führe.
Nachhaltigkeit als Familientradition
Euer Betrieb, damals noch das Hotel Praterstern, ist ja bereits seit 1978 in Familienhand. Kann man sagen, wie lange Nachhaltigkeit bereits ein Leitmotiv im Unternehmen ist?
Barbara: Nachhaltig zu arbeiten, damit hat mein Vater begonnen. Es ist jedoch schwer zu sagen, wann er tatsächlich damit angefangen hat. Aber ich weiß, dass wir eines der ersten Stadthotels waren, die um die Jahrtausendwende das österreichische Umweltzeichen erhalten haben.
Benjamin: Natürlich spielte damals Nachhaltigkeit nicht in dem Ausmaß eine Rolle, wie heute. Dafür war der gesellschaftliche Wandel ausschlaggebend. Aber unser Vater hat immer schon ressourcenschonend agiert.
Barbara: Genau, wir haben das Umweltbewusstsein von unsrem Vater mitbekommen. Viele Maßnahmen wie zum Beispiel wassersparende Armaturen hat er zu Hause getestet und erst anschließend im Betrieb implementiert. Die Armaturen mit Sensoren haben sich allerdings im Selbsttest für Badezimmer nicht bewährt und wurden daher nicht im Betrieb eingesetzt.
War euch immer klar, dass ihr das Hotel übernehmen werdet, oder hat sich das erst im Laufe des Berufslebens ergeben?
Benjamin: Als ich klein war, war ich mir immer sicher, dass ich das Hotel einmal übernehmen werden. Deshalb habe ich auch in den Tourismusschulen MODUL meinen Schulabschluss gemacht. Die Ausbildung hat mich dann aber abgeschreckt, weil die so konservativ war. Zum Beispiel durfte ich mir dort meine Haare nicht wachsen lassen. Damals habe ich dann für mich entschieden, dass ich etwas anderes, etwas Kreatives machen möchte.
Barbara: Mir war immer klar, dass ich den Betrieb übernehmen möchte. Aber es war mir auch klar, dass ich ihn nicht so übernehmen möchte wie ihn meine Eltern geführt haben.
Auf indirektem Weg ins Hotelfach
Welche Ausbildungen habt ihr neben der Arbeit im Familienbetrieb noch gemacht?
Benjamin: Ich habe Advertising and Brand Management studiert und bin in die Werbebranche gegangen. Das war Rückblickend eine gute Entscheidung, weil ich dort gelernt habe, wie man sich am Markt positioniert und kommuniziert, was natürlich gerade jetzt hilfreich ist. Da ergänzen Barbara und ich uns auch sehr gut. Barbara ist sehr gut mit Zahlen und ich bin der kreative Kopf. Im Zuge der Neuausrichtung haben wir auch gemeinsam eine Imkerausbildung gemacht, weil wir geplant haben Bienenstöcke auf einem unserer Dächer aufzustellen. Die Bienenstöcke stehen jetzt letztendlich in meinem Garten und der Honig wird unter anderem an unsere Gäste verkauft oder verschenkt.
Barbara: Ich habe die Handelsakademie besucht und anschließenden einen Magister in Unternehmensführung sowie einige Jahre später einen Master in Tourismusmanagement gemacht. Während des Umbaus habe ich noch eine Ausbildung im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement gemacht.
Benjamin, du hast ja vorhin auch erwähnt, du hättest nach der Schulzeit etwas Abstand zum Hotel gebraucht. Wie hast du dann zurück zum Familienbetrieb gefunden?
Benjamin: Das war eine familiäre Entscheidung. Auch die Corona-Pandemie hat da eine Rolle gespielt. Für unsere Eltern war es an der Zeit das Ruder abzugeben, da sie sehr viel und sehr hart gearbeitet haben, um uns ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.
Es wurden viele Ideen diskutiert und letztendlich haben wir uns für die Umsetzung der Urban Jungle Apartments entschieden.
Gibt es neue Praktiken, die ihr als neue Generation mit in den Betrieb nehmt?
Barbara: Ja, natürlich. Die größte Veränderung ist sicherlich der Umstieg von einer 24 Stunden Rezeption zu einem Online Self Check In. Ich habe mittlerweile eine Tochter und mir ist wichtig, mit meiner Familie und mit meinem Kind Zeit zu verbringen. Arbeit und Familie muss für mich einfach zusammenpassen.
Benjamin: Das ist bei uns ähnlich wie es in vielen Fällen zwischen Baby Boomern und den neueren Generationen ist - uns ist eine Work Life Balance wichtig. Deshalb haben wir auch keine 24-Stunden Rezeption mehr. Klar sind wir im Notfall vor Ort, aber man hat so einfach die Möglichkeit, sich mehr freizuspielen und die Zeit besser einzuteilen. Natürlich war es jetzt am Anfang sehr viel Arbeit mit dem Umbau und meinem zweiten Unternehmen, aber für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir uns etwas mehr zurücknehmen können.
Nachhaltigkeit funktioniert nur mit den Gästen
Gibt es in eurem Berufsalltag neue Herausforderungen zum Thema Nachhaltigkeit, die eure Eltern noch nicht hatten?
Barbara: Die meisten Herausforderungen haben wir, weil es keine durchgehend besetze Rezeption gibt und viele Leute sich nicht selbstständig informieren, obwohl wir eine Fülle an Informationsmaterial entlang des gesamten Guest Journey zur Verfügung stellen. Ein Beispiel dafür ist unser Warmwasser. Alle Apartments sind mit einem 150l Warmwasserspeicher ausgestattet – das bedeutet auch, dass nicht unbegrenzt Warmwasser zur Verfügung steht, weil das alles andere als nachhaltig ist. Wenn dieser vollständig entleert wurde, dann steht erst am Abend bzw. am nächsten Morgen wieder Warmwasser zur Verfügung.
Benjamin: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Leute im Urlaub einfach nicht oder nur sehr wenig auf Nachhaltigkeit achten und die Einstellung vertreten: „Ich bin in einem nachhaltigen Hotel, ich habe meinen Beitrag bereits geleistet.“ Wir sagen es aber immer wieder: Nachhaltigkeit funktioniert nur gemeinsam mit unseren Gästen. Ja wir haben neben vielen anderen Maßnahmen eine nahezu Co2-neutrale geothermische Heizanlage, ja wir achten auf ressourcenschonende Praktiken, aber ich kann zum Beispiel den Müll nicht für meine Gäste trennen. Oft muss man deshalb auch mit negativer Kritik umgehen. Wir sind nicht die günstigste Preisklasse, aber es gibt eben Anforderungen, die wir einfach nicht erfüllen wollen, wie zum Beispiel klassische Klimaanlagen, weil sie nicht nachhaltig sind. Manchmal muss man einfach zurücktreten, um nachhaltiger sein zu können.
Was motiviert euch dazu, trotz dieser Herausforderungen, weiterhin einen nachhaltigen Betrieb zu führen?
Barbara: Das ist einfach eine Herzensangelegenheit. Vielleicht nehmen Gäste etwas von unseren Praktiken für zuhause mit.
Benjamin: Dem kann ich mich nur anschließen. Es war für uns von Anfang an klar, dass Nachhaltigkeit ein elementarer Teil unserer Unternehmensphilosophie sein wird. Ich glaube die größte Motivation dahinter ist, dass es uns einfach wirklich wichtig ist. Manchmal trifft man auch auf andere Ideologien, die für solche Konzepte kein Verständnis haben. Aber es hilft einfach, in einen Exkurs mit verschiedenen Menschen zu gehen und ihnen zu zeigen, dass es nicht weh tut, Müll zu trennen oder auf ihren Wasserverbrauch zu achten.
Was gefällt euch an euren Arbeiten im Hotel am besten?
Benjamin: Ich finde es spannend mit Menschen zu arbeiten, die auf Urlaub sind. Eigentlich bin ich keine „People-Person“, aber es gefällt mir, mich mit unseren Gästen zu unterhalten und sie bei uns willkommen zu heißen. Außerdem darf ich mich um die vielen Pflanzen kümmern, was auch etwas ist, das ich ins Konzept miteingebracht habe.
Barbara: Ich mag es, so flexibel zu sein und arbeiten zu können, von wo und wann ich will. So habe ich auch Zeit für meine Familie.
Das Interview führte Magdalena Rettenwander.