Der Schlafsack, die Kleidung, die Haare: Irgendwann riecht alles nach Lagerfeuer. Kein Wunder; wir sind auf Kanutour in Finnland und machen uns jeden Morgen und jeden Abend ein Feuer, um warm zu bleiben, Wasser abzukochen oder Essen zuzubereiten. Wir haben zwar auch einen kleinen Gaskocher dabei, aber die dreizehnjährigen Zwillinge finden es spannender, direkt auf dem offenen Feuer zu kochen.
Es ist für uns alle vier der erste richtige Outdoor-Urlaub, mit Nächten im Zelt und ohne Berührung mit der Zivilisation. Nur wir, die finnischen Wälder und immer die Frage im Hinterkopf: „Haben wir an alles gedacht?“
Wir sind auf Interrail-Tour durch das Baltikum und Skandinavien. Für die Kanu-Tour, die wir bei einem Reiseveranstalter gebucht haben, sind wir tief ins finnische Hinterland gereist, von Helsinki aus etwa 600 Kilometer Richtung Nordosten. Ein Guide fährt uns, unser Gepäck und die Kanus von Kuhmo zu unserem Startpunkt in Lentiira, drückt uns eine Landkarte in die Hand, empfiehlt uns noch ein paar Lagerplätze – und braust davon. Jetzt sind wir auf uns allein gestellt und haben fünf Tage Zeit, zurück nach Kuhmo zu paddeln. Weil in Finnland das Jedermannsrecht gilt, können wir theoretisch überall entlang der Strecke übernachten. Aber nur an ausgewiesenen Lagerplätzen ist offenes Feuer erlaubt. Also entscheiden wir uns, dort unsere Zelte aufzuschlagen und sind überrascht, dass wir trotz offizieller Infrastruktur keine anderen Paddler treffen.
Die Lagerplätze in dem Seengebiet mit seinen vielen Buchten und Inselchen werden von Ehrenamtlichen in Ordnung gehalten. Überall finden wir trockenes Feuerholz (das wir zum Feuermachen noch spalten müssen), einen Rost zum Kochen auf dem Feuer, Sitzgelegenheiten in Form von Bänken oder Baumstämmen und ein Plumpsklo, das aber oft in zweifelhaftem Zustand ist. Dafür sind die Lagerplätze sehr sauber. Nirgendwo finden wir Müll oder andere Spuren der Abenteurer, die vor uns vorbeigekommen sind. Selbstverständlich also, dass auch wir darauf achten, die Plätze immer so sauber zu hinterlassen, wie wir sie vorgefunden haben.
Das fordert uns einiges an Organisation ab: Wir haben zwar biologisch abbaubare Seife, Shampoo, Zahnpasta, Spülmittel dabei, aber mit den Lebensmitteln erzeugen wir doch viel Plastikmüll. Das ist zumindest teilweise unserer Reiseplanung geschuldet: Weil die Kanu-Tour nur ein Abschnitt auf unserer Interrail-Tour ist, haben wir nur bedingt das passende Outdoor-Equipment. Beim Kochen sind wir auf die Ausrüstung angewiesen, die wir uns nach vielen Absprachen vom Reiseveranstalter ausleihen konnten: Topf, Geschirr, Besteck. Ein Schneidebrett oder ein scharfes Messer sind nicht dabei.
Also kaufen wir vor der Abreise Lebensmittel ein, die mit möglichst wenig Aufwand zubereitet werden können und ohne Kühlung haltbar sind. Morgens gibt es Porridge, abends Nudeln mit Tomatensoße, Hotdogs, Tütensuppen. Obst und Gemüse für zwischendurch schneiden wir mit dem Taschenmesser, ansonsten halten wir uns mit in kleinen Portionen abgepackten Snacks wie Müsliriegeln oder Crackern über Wasser. Denn: Offene Großpackungen im Kanu zu transportieren, ist einfach nicht praktisch. Zum Glück haben wir reichlich Müllbeutel eingepackt und schaffen es sogar, unterwegs unseren Müll nach finnischem System zu trennen.
Dass so ein Outdoor-Urlaub immer wieder kreative Ideen erfordert, merken wir auch beim Thema Trinkwasser. Wir haben schon Monate vor der Reise spezielle Strohhalme gekauft, die direkt beim Trinken das Seewasser filtern. Am Ende kochen wir dann aber doch das meiste Wasser über dem Feuer ab und füllen es in unsere Trinkflaschen um. Bloß sind drei der vier Metallflaschen so gut isoliert, dass das Wasser noch stundenlang warm bleibt. Ab Tag zwei füllen wir also erst die nicht isolierte Wasserflasche mit abgekochtem Wasser, legen sie zum Abkühlen in den See, füllen das abgekühlte Wasser in eine der anderen Flaschen um – und wiederholen das Ganze so lange, bis alle Trinkflaschen mit kühlem Wasser gefüllt sind.
So entwickeln wir im Laufe der Reise immer mehr eigene Routinen. Wir paddeln jeden Tag ein paar Stunden, dann suchen wir einen Lagerplatz, hacken Feuerholz, bauen die Zelte auf, machen Feuer, kochen Wasser ab und bereiten das Abendessen zu. Am Morgen wiederholen wir das Ganze umgekehrt: Feuer machen, Wasser ab- und Porridge aufkochen, Zelte wieder abbauen, das Gepäck in den wasserdichten Transport-Tonnen verstauen, weiterpaddeln. Anderen Kanuten begegnen wir nur ein einziges Mal, und auch Tiere sehen wir kaum.
Ein richtiges Gefühl von Ruhe will sich trotz der friedlichen Seenlandschaft aber nicht einstellen. Vielleicht, weil die Zwillinge immer wieder ausdiskutieren, wer jetzt Schuld ist, dass ihr Kanu nicht macht, was es soll. Vielleicht, weil wir ein wenig Zeitdruck verspüren, jeden Tag genug Kilometer zu paddeln, um nach fünf Tagen in Kuhmo anzukommen. Vielleicht, weil die Lagerplatz-Routine aufwendiger ist, als wir erwartet hatten, und wenig Zeit bleibt, um einfach mal friedlich am Ufer zu sitzen.
Unser erster Outdoor-Urlaub endet im Regen. Pünktlich geben wir unsere Boote und das geliehene Equipment in Kuhmo zurück an den Veranstalter. Nass, erschöpft und trotzdem ziemlich stolz, dass wir diese Herausforderung gemeistert haben, sind wir uns alle einig: Diesen Abenteuer-Urlaub werden wir nicht so schnell vergessen.
Hannah Rautenberg