Herr Langguth, wie kommt man auf die Idee, ein Bett in eine Kirche zu stellen?
Die Evangelische Kirche Mitteldeutschland hat 2017 einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem ungewöhnliche Ideen für die Umnutzung und Erhaltung von Kirchen gesucht wurden. Unsere Idee der Her(r)bergskirchen war eines der Gewinnerprojekte und gemeinsam mit der Kirchengemeinde Neustadt am Rennsteig haben wir dann die ersten Schlafstätten in der Michaeliskirche konzipiert und umgesetzt.
Wie hat die Kirchengemeinde auf die Idee reagiert?
Es gab natürlich ein paar kritische Stimmen, aber generell war die Gemeinde sehr aufgeschlossen. Uns war es auch von Anfang an sehr wichtig, die Menschen vor Ort mit einzubeziehen und auch für sie einen Mehrwert zu schaffen, nicht nur für die Gäste. Wir haben in mehreren Veranstaltungen mit der Gemeinde zusammen die Details ausgearbeitet, zum Beispiel bei einem gemeinsamen Sushi-Essen in der Kirche. Das war unser erster Abend in Neustadt, und es kamen plötzlich auch zwei Touristen dazu, die neugierig waren, was wir in der Kirche machen. Sie haben sich dann dazugesetzt, und es gab einen tollen Austausch zwischen ihnen und den Einheimischen. Das war ein Aha-Moment für mich: Darum geht es hier! Die Her(r)bergskirchen sollen Türöffner für die Region sein, Gäste anlocken, sie mit den Einheimischen in Kontakt bringen, und der Gemeinde durch den Austausch und neue Angebote wie zum Beispiel gemeinsame Abendessen oder Konzerte etwas zurückgeben.
Was war bei der Gestaltung der Schlafstätten wichtig?
Wir mussten einen Weg finden, die Schlafstätten so in den Kirchenraum zu integrieren, dass sie bei Gottesdiensten, Trauerfeiern, Taufen und sonstigen Kirchenfeiern nicht stören. Das haben wir in jeder der vier Kirchen anders gelöst. Bei der Gestaltung und Produktion der Möbel haben wir viel mit lokalen Designbüros und lokalen Handwerkern zusammengearbeitet. Der markante blaue Vorhang zum Beispiel, der als verbindendes Element in allen Kirchen zu finden ist, stammt von einer Schneiderin, die in Neustadt direkt neben der Kirche wohnt. Alle Einbauten, die wir gemacht haben, sind reversibel, das heißt, sie können jederzeit wieder entfernt werden, daher hatten wir auch keine Probleme mit dem Denkmalschutz. Da die Evangelische Kirche Mitteldeutschland ihr eigenes Bau- und Denkmalschutzamt hat, hatten wir in der Hinsicht generell keine Schwierigkeiten, denn die Kirche stand dem Projekt ja offen gegenüber.
Frau Rosewich, wie wurde aus der Kirche St. Katharina eine Her(r)bergskirche?
Ich bin im Kirchenortsbeirat und als ich von den Her(r)bergskirchen hörte, dachte ich sofort, das müssen wir hier auch machen. Ich fand es spannend, die Kirche für Menschen zu öffnen, die sie nicht in erster Linie als Gotteshaus nutzen wollen. Und die Herbergs-Suche ist ja auch ein wichtiges Thema der Weihnachtsgeschichte und Herberge zu bieten ein Grundauftrag der Kirche.
Was für Gäste kommen zu Ihnen?
Das ist eine große Bandbreite. Von Wanderern, die teilweise auch in mehreren Her(r)bergskirchen übernachtet haben, über Abenteurer, die es gruselig fanden, in einer Kirche zu übernachten und Menschen, die den Kirchenraum mal ganz allein erleben wollen, bis zu Familien. Bei uns finden bis zu vier Gäste Platz. Man kann von Mai bis September in der Kirche übernachten, und in unserer ersten Saison dieses Jahr hatten wir schon knapp 70 Gäste und bis auf ein paar Teller, die nicht abgewaschen wurden, auch keine Probleme. Darüber freuen wir uns sehr.
Was bringt die Her(r)bergskirche der Gemeinde?
Das Schönste ist, dass unsere Kirche, die ja eigentlich für den Gottesdienst bestimmt ist, jetzt über Ortsrand hinaus Zulauf hat und gesehen wird, auch über die Plattform der Her(r)bergskirchen. Und wir haben im Rahmen des Projekts eine Tauschbibliothek im Kirchenraum eingerichtet, denn die Stadt hatte die Gemeindebibliothek aufgelöst und die Bücher waren bei uns gelandet. So ist ein neues Angebot für Gemeindemitglieder und Besucher entstanden.