Die Insel Pag, zwischen Zadar und Rijeka, ist nicht abgelegen, aber auch kein Hauptziel für den Massentourismus, der vor allem in den Sommermonaten andere Orte in Kroatien fast ungenießbar macht. Martina Perner ist hier auf Pag aufgewachsen und sie gehört zu denjenigen, die auch geblieben sind. "Wir waren immer für zwei Dinge berühmt: Klöppelspitze und Käse. Doch Spitze war nie so richtig meins", sagt die Frau lachend, als sie sich die weiße Mütze aufsetzt. Per Knopfdruck öffnet sie eine massive Metalltür und geht in ihr Reich. In einem kühlen, dunklen Raum reihen sich lange Regale, auf deren Holzbrettern die runden Käselaibe reifen, die diese Insel so besonders machen. Der Pager Käse ist eines der bekanntesten und typischsten landwirtschaftlichen Produkte Kroatiens.
"Sonne, Gras und Schafe gab es hier schon immer. Die Nähe des Meers und der hohe Salzgehalt der Pflanzen auf dieser Insel machen die Schafsmilch besonders und geben dem Käse seine spezifische Note", erklärt Perner. Weil die hiesigen Bauern nie sehr reich waren, haben sie sich im Laufe der Zeit zusammengeschlossen, um ihre Ware besser verkaufen zu können. Die "Paška sirana", oder Pager Käserei, wo Perner arbeitet, wurde 1946 als staatliches Unternehmen gegründet und später, nach der Wende, von den damaligen Geschäftsführern, darunter auch Perners Vater, gekauft. Heute funktioniert es wie ein größeres Familiengeschäft. "Jeder kennt und braucht jeden auf Pag", sagt die Käserin.
Die Käselaibe sind cremefarbig bis dunkelbraun und frisch bis sehr hart, je nach Sorte und Alter. In der Pager Käserei werden aktuell acht Spezialitäten produziert: Aus Kuhmilch, aus Schafsmilch oder aus einer Mischung von beidem, mit oder ohne aromatische Mittelmeerkräuter, scharfe Peperoni oder edle Trüffel. Doch nur eine dieser Sorten darf die geschützte geografische Bezeichnung verwenden: der traditionelle Pager Käse aus reiner Schafsmilch. Seine kräftige, salzige, pecorinoähnliche, aber schärfere Note machen ihn zu einer idealen Vorspeise oder zum perfekten Abschluss einer feierlichen Mahlzeit.
Der Wein zum Käse
Doch was wäre ein kräftiger, aromatischer Käse ohne einen edlen Wein? Um auf die Spur der besten Sorten Kroatiens zu kommen, muss man Pag verlassen und ganz in den Norden Kroatiens reisen, auf die Halbinsel Istrien. Dort lebt seit Jahrhunderten eine kleine italienische Minderheit, die die lokale Winzertradition geprägt hat. Nikola Benvenuti aus dem Dorf Kaldir in der Nähe des malerischen Städtchens Motovun kann davon Bände erzählen. Seiner Familie gehören seit den 1900er Jahren wieder einige Weinberge und ein Keller, der unter Kennern als Geheimtipp gilt. "Bereits mein Großvater war Winzer in dieser Gegend, mein Bruder Albert und ich knüpfen jetzt an diese Tradition an", sagt der 35-jährige Mann.
Bevorzugt werden hier istrische Reben angebaut, die weiße Malvazija und die rote Teran. Die goldene, ölige Farbe von Malvazija und ihre tiefen Noten harmonieren sehr gut mit italienischen Antipasti oder den pikanten Vorspeisen, die typisch für den Balkan sind. Und die elegant eingebundenen Tannine des Teran passen perfekt zu deftigen Grillgerichten - oder zum Pager Käse.
Unweit von Motovun liegt Momjan, eines der berühmtesten Anbaugebiete für istrische Reben und gleichzeitig der Ort, den der größte Winzer Kroatiens, Gianfranco Kozlovi, sein zu Hause nennt. Er vermarktet seine Präparate nicht nur in der Region, sondern auch in Österreich, Großbritannien und sogar in Nordamerika. Seine Spezialität: der würzige, fruchtige Malvazija "mit Retrogeschmack". Als letzte Station in Istrien empfiehlt sich, ebenfalls in Momjan, das Weingut Kabola. Dort werden seit einigen Jahren - eine landesweite Premiere - die Weine ökologisch hergestellt. Durchaus mit Erfolg, denn der Momjaner Muskat, den die Familie Markeži hier seit 1891 produziert, wird jetzt in seiner neuen Bioversion immer populärer bei einem jüngeren, urbanen Publikum aus der neuen kroatischen Mittelschicht. Ebenfalls empfehlenswert ist der Malvazija Amfora, der nach einer alten römischen Tradition in Steingefäßen reift.
Einfach und gut: die Balkanküche
Aber das kulinarische Kroatien ist nicht nur das leichte, himmlisch aromatische Mittelmeer, sondern auch der bodenständig deftige Balkan. Ohne die würzigen Gemüsevorspeisen und Grillspezialitäten würde das Land einen wesentlichen Teil seiner Identität verlieren. Und für die besten Fleischrestaurants bleiben die kontinentalen Regionen, vor allem Zagreb und Slawonien, die erste Adresse. Zwar brachten die Kriege der 1990er Jahre zusammen mit der Unabhängigkeit Kroatiens einen kulturellen und gastronomischen Verlust: Die bunte jugoslawische Mischung aus Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion ist heute weitgehend nicht mehr da. Doch in den letzten Jahren erlebt man ein Wiedererwachen der interkulturellen Genusskunst.
Als Serbe musste Kostadin Stefanovi kurz nach Ausbruch der militärischen Auseinandersetzungen fliehen. Jahrelang lebte er in Deutschland und begeisterte dort mit seinen Cevapčići und Pljeskavice. Erst später traute er sich zurück nach Zagreb. "Heute noch hört man hier immer wieder, dass die Läden der Serben abgefackelt werden", sagt Kostadin Stefanovi und schüttelt den Kopf. Trotzdem wagte der Koch, den alle "Kosta" nennen, den entscheidenden Schritt: Er eröffnete letztes Jahr unweit der Zagreber Innenstadt die Tvornica Pljeskavica, die "Pljeskavica-Fabrik". Dort wird so gut gegrillt, dass die kroatische Kundschaft bereit ist, die alten ethnischen Konflikte beiseitezulassen und in das saftige Fleisch zu beißen.
Silviu Mihai