Anderswo: Herr Bode, ich habe natürlich einen Blick in Ihre Vita geworfen und finde es wirklich beeindruckend, wie Sie das Nachhaltigkeitsthema während Ihrer Karriere im Hotelmanagement immer konsequent weiter vorangetrieben haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Ihnen persönlich weh tut, wenn Ihre hochwertigen regionalen, saisonalen Bio-Lebensmittel am Ende des Tages weggeworfen werden müssen.
Bode: Bio, Nachhaltigkeit – das treibt mich jetzt schon seit fast 20 Jahren um. Gerade im Hotel ist die Verschwendung von Lebensmitteln ein riesiges Thema. Der Konsens bei vielen Hotelmanagern ist: „Ja, wir stehen zu diesem riesigen Food Waste. Auch, weil wir nicht den Mut besitzen, unsere Gäste vor einem leeren Buffet stehen zu lassen.“ Wir machen das anders. Wir verfügen über die nötige Courage, unsere Gäste mit in die Verantwortung zu nehmen. Das heißt zum Beispiel, dass wir generell fast keine Buffets mehr anbieten.
Anderswo: Wie gestaltet sich Ihr Angebot stattdessen?
Bode: Wir sind mit knapp 100 Zimmern und plus/minus 40.000 Gästen im Jahr ein relativ großes Haus mit drei Hauptsegmenten: der MICE-Bereich, das sind vor allem Tagungen, macht knapp die Hälfte der Gäste aus, die andere Hälfte setzt sich aus klassischen Urlauber*innen und unserem Selfness-Bereich mit einem hohen Anteil an Fastengästen zusammen. Da die Fastengäste nichts essen, entsteht auch kein Food Waste. Bei den Fastenkuren unter Berücksichtigung von basischer Kost werden alle Mahlzeiten genau auf den Punkt vorbereitet. Da bleibt nichts übrig.
Anderswo: Dass beim Fasten wenig Reste bleiben, leuchtet ein. Aber Tagungsgäste und Urlauber*innen wollen nach einem aktiven Tag im Schwarzwald ja in der Regel schon etwas essen.
Bode: Im Kern steht und fällt unserer Erfahrung nach alles mit der Planung. Tagungen werden langfristig gebucht. Da wissen wir, welche Gästegruppen wir haben, wie viele das sind und worauf sie besonderen Wert legen. Dann steuern wir die Lebensmittelversorgung so, dass wir mit möglichst wenigen Komponenten – das ist ein ganz wichtiger Aspekt – möglichst viel machen können.
Es gehört zum Selbstverständnis der deutschen Wohlstandsgesellschaft, dass alles zu jeder Zeit verfügbar und im Überfluss da ist. Dieser Gästeerwartung begegnen wir tagtäglich, diese wird von vielen Hotels auch erfüllt. Wenn ich in einem konventionellen 5-Sterne-Hotel übernachte, welches nicht Bio ist und eine 5-Sterne-Deluxe-Denke verfolgt, finde ich locker 20 Obstsorten auf dem Frühstücksbuffet – egal, zu welcher Jahreszeit. Wenn ich es schaffe, diese Vielzahl an Komponenten zu reduzieren und in der Essenz wenige hochwertige übrig zu lassen und hieraus wiederum unterschiedliche Varianten zubereite, dann habe ich das Thema Food Waste schon einmal drastisch reduziert.
Anderswo: Für die Küche ist es einfacher, 20 Sorten Obst liefern zu lassen, als aus fünf Sorten kreative Variationen zu erzeugen?
Bode: Das ist meine Kernaussage: Food Waste (und Nachhaltigkeit allgemein) ist eine Kopfsache. Eine Sache des Bewusstseins. Hotel und Küche müssen die Fantasie, die Qualität und vor allem das Selbstbewusstsein haben, um eine solche Reduktion konsequent durchzuziehen. Und der Gast muss den Weg mitgehen wollen.
Anderswo: Das „Weniger ist mehr“ auch als Plus wahrnehmen und nicht als Verzicht.
Bode: Wir haben das Glück, bereits sehr sensible Gäste begrüßen zu dürfen, weil wir mit unserem klaren Engagement immer mehr Menschen erreichen, die genau das wollen, was wir anbieten. Aber so gestaltet es sich eben auch in einem klassischen 5-Sterne-Plus-Haus: Da gehen Gäste hin, für die es von Wert ist, am Frühstücksbuffet Ananas, Sternfrucht, Mango, Kapstachelbeere und Papaya konsumieren zu können. Dass diese Haltung Unmengen an Food Waste mit sich bringt, hat keinen Platz in ihrem Weltbild.
Anderswo: Wie sieht Ihre Alternative aus?
Bode: Ein achtsamer Umgang mit Lebensmitteln steht an erster Stelle: Mittlerweile haben wir im À-la-Carte-Bereich und bei den Urlaubsarrangements inklusive 3-Gang-Genuss-Menüs kaum noch Food Waste. Unter anderem, weil wir alle Beilagen, die wir einkaufen, so einplanen, dass man daraus am nächsten Tag andere Kreationen zaubern kann. Mein Küchenchef nennt das „Intelligente Menügestaltung“. Wenn heute zum Beispiel als Beilage Lauch auf den Teller kommt, dann gibt es morgen Lauch-Quiche. So werden übrige Lebensmittel schon bei der Wochenplanung mitgedacht. Und wir kaufen natürlich auf den Punkt ein: keine günstigen Schnäppchen aus dem Großhandel, sondern nur ganz frische Ware und lediglich das, was wir gerade wirklich brauchen. Grundsätzlich haben wir immer ein Auge darauf, die Lagerbestände in den Kühlhäusern so klein wie möglich zu halten.
Zudem nutzen wir wirklich „von Kopf bis Fuß“ alles: Die Gemüseabschnitte, die nicht auf den Teller kommen, werden zu Grundfonds und Suppen verkocht. Diese produzieren wir selbst. Genau das zeichnet Bio und Nachhaltigkeit aus meiner Sicht nämlich aus: Dass tatsächlich das gesamte Tier und das gesamte Lebensmittel mit allem, was dazu gehört, vollumfänglich verarbeitet wird.
Anderswo: Nochmal zurück zum Frühstücks-Buffet: Das haben Sie nicht komplett abgeschafft, richtig?
Bode: Wir haben ein Zero-Waste-Frühstücksbuffet. Hier trauen wir uns auch, mal irgendwas ausgehen zu lassen, bevor es uns auf dem Buffet verdirbt. Gleichzeitig bieten wird den Gästen dann die Möglichkeit, ihre Wünsche À-la-Carte zu ordern. Obst, das ein paar Tage liegt und nicht mehr ganz so ansprechend aussieht, werfen wir nicht weg, sondern machen Smoothies daraus oder leckere Dressings.
Anderswo: Wie reagieren Ihre Gäste auf das Thema Food Waste und das „Weniger ist mehr“ im Schwarzwald Panorama?
Bode: Unsere Gäste reagieren durchweg zustimmend und mit Verständnis auf die Food Waste-Initiativen. In den letzten Jahren hat sich eine positive Veränderung abgezeichnet. Wir sind aktuell für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis und für den Deutschen Tourismuspreis nominiert, wir haben in Sachen Nachhaltigkeit europaweit eine Vielzahl unglaublich renommierter Awards gewinnen dürfen. Damit möchte ich sagen: Gäste, die uns besuchen, wissen um unser Engagement. Viele Firmen kommen zu uns, dem Pionier für zukunftsweisendes Umweltbewusstsein, um sich selbst inspirieren zu lassen. Da kann es vorkommen, dass sie es sogar lobend erwähnen, wenn ein Gericht ausgeht und das Küchenteam aufgrund unserer Philosophie nicht mehr nachlegt. Hungrig muss natürlich trotzdem niemand bleiben, denn es wird à la minute produziert!
Anderswo: Wie informieren Sie Ihre Gäste über Food Waste? Haben Sie Tipps, wie andere Hoteliers Ihre Gäste für das Thema begeistern können?
Bode: Wir legen Wert auf eine transparente Kommunikation. Das kann man in Form von Ausschilderungen machen oder über direkte Ansprache. Beides ist ganz wichtig! Bei uns zieht sich das Thema Nachhaltigkeit wie ein roter Faden durch das Haus. Das gesamte Hotel, einschließlich der gesamten Gastronomie, sind Bioland gold-zertifiziert. Unsere Partnerschaft machen wir über Hinweiskärtchen auf dem Frühstücksbuffet sichtbar. Auf der Eiertheke kann man zum Beispiel lesen, dass die Eier zu 100 % Bio-Eier vom Biolandhof Reiser sind, welcher nur 15 Kilometer von uns entfernt ist. Die Eierbecher haben wir aus abgesägten Flaschen aus unserem Haus kreiert – ein Recyclingprodukt. So geht alles Hand in Hand und die Gäste werden inspiriert, ohne erhobenen Zeigefinger. Wir setzen einfach die Dinge um, die uns selbst wichtig sind – voller Begeisterung und Inbrunst. Und die Gäste schätzen das – und lassen sich ebenso anstecken mit Enthusiasmus. Das ist genial.