Nachdem uns Freunde von ihrem Rumänienurlaub in Siebenbürgen (oder auch Transsilvanien) vorgeschwärmt hatten, war für meine Freundin und mich klar: Da möchten wir unseren Herbsturlaub verbringen! Denn Siebenbürgen ist nicht nur ein interessantes und vielseitiges Urlaubsziel, sondern von meiner Heimatstadt Berlin aus auch sehr gut mit dem Zug zu erreichen – mit nur einmal umsteigen in Budapest. Und wenn wir schon mal in Rumänien sind, würde sich natürlich auch ein Abstecher in die Hauptstadt Bukarest anbieten. Als ich die Reiseroute im Atlas nachschlage, fällt mir auf, dass zwischen Bukarest und Istanbul gerade mal 600 Kilometer liegen – ein Katzensprung quasi! Warum also nicht die Reiseroute bis an den Bosporus verlängern? Auch meine Freundin, die bei früheren Gelegenheiten Istanbul als Reiseziel schon mal abgelehnt hatte, ist begeistert von der Idee. So wird aus dem gemütlichen Herbsturlaub ein echter Abenteuer-Trip einmal quer durch Osteuropa – mit Zug und Bus entlang einer historischen Zweigstrecke des Orientexpress.
1. Etappe: Nachtzug Berlin – Budapest
Anfang Oktober steigen wir in Berlin in den Nachtzug nach Budapest. Da es für meine Freundin die erste Fahrt mit einem Nachtzug ist, hat sie sich ein privates Schlafwagenabteil gewünscht, und so verbringen wir unsere erste Reisenacht ungestört schlafend auf den schmalen Zugbetten. Als Ausgleich fürs recht überschaubare Frühstück, das im Schlafwagen der Ungarischen Staatsbahnen gereicht wird, gibt es frühmorgens wunderschöne Blicke über die Donau aus dem Zugfenster. Und natürlich nehmen wir uns Zeit, die ungarische Hauptstadt kennenzulernen, wenn wir schon mal hier sind.
2. Etappe: Nachtzug Budapest – Kronstadt
Nach zwei Tagen Aufenthalt in der ungarischen Hauptstadt geht es mit dem nächsten Nachtzug weiter nach Kronstadt/Braşov in Siebenbürgen – diesmal hat unser Schlafwagenabteil sogar ein eigenes WC und eine eigene Dusche! Der rumänische Nachtzug ab Budapest bietet zwar kein Frühstück, dafür führt er eine Art Kiosk mit, bei dem sich Reisende mit Proviant, Kaffee und – so die ausdrückliche Empfehlung des Mitarbeiters – diversen Biersorten eindecken können. Star des Lädchens ist ein ziemlich neugieriges Katzenbaby, das zwischen den Verkaufsartikeln herumturnt.
Zwischenstopp in Siebenbürgen
In Kronstadt/Braşov haben wir fünf Tage Aufenthalt eingeplant, um die Region zu erkunden. Die Tagesausflüge nach Hermannstadt/Sibiu und Schäßburg/Sighisoara begeistern uns. Ganz besonders angetan haben es uns auch die vielen Wehrkirchen in der Region – trutzige Kirchen, die deutsche Siedler*innen vor Hunderten von Jahren zur Verteidigung gegen Überfälle von Türken und Tataren zu kleinen Festungen ausgebaut haben. Wir besuchen mehrere dieser eindrucksvollen Kirchenburgen, die auf der Liste der UNESCO-Welterbestätten stehen.
3. Etappe: Siebenbürgen – Bukarest
Mit der rumänischen Eisenbahn geht es dann weiter nach Bukarest. Auch für die Erkundung der rumänischen Hauptstadt nehmen wir uns wieder zwei Tage Zeit. Als eigenes Reiseziel hätten wir uns Bukarest vermutlich nicht ausgesucht, aber da die beeindruckende Stadt als Zwischenetappe auf unserer großen Osteuropa-Tour liegt, nutzen wir die Gelegenheit, ein paar Einblicke zu bekommen.
4. Etappe: Bukarest – Instanbul per Flixbus
Schließlich besteigen wir den Fernbus nach Istanbul. Eine Zugverbindung wäre uns lieber gewesen, aber trotz aller Recherche auf verschiedenen Buchungsplattformen und der Hilfe einer auf Auslandsreisen spezialisierten Bahnagentur war es uns nicht gelungen, eine zügige Bahnverbindung zwischen der rumänischen Hauptstadt und Istanbul zu finden. Statt des Zuges mit mehreren Umstiegen und einer Gesamtreisezeit von über 20 Stunden nehmen wir den Flixbus, der uns über Nacht in gut elf Stunden zum İstanbul Otogarı, dem größten Busbahnhof der Türkei, bringt. Die Busfahrt durch Bulgarien wird dank eines sehr risikofreudigen jungen Fahrers eher zum Höllenritt mit jeder Menge enger Kurven durch das Balkangebirge, bei dem wir wegen Übelkeit und geschlossener Bordtoilette jede Pause herbeisehnen. Nach dem Fahrerwechsel und bei besseren und weniger kurvigen Straßen in der Türkei ist der Rest der Fahrt dann aber ganz in Ordnung.
Letzte Etappe: Mit der Fähre über den Bosporus
Vom Busbahnhof im europäischen Teil Istanbuls bringen uns kurze Fahrten mit Metro, Tram und Bosporusfähre in den Stadtteil Kadiköy auf der asiatischen Seite unseres Reiseziels – wir haben es geschafft!
Aber irgendwie will sich das euphorische Gefühl, das Ziel unserer Tour endlich erreicht zu haben, nicht so recht einstellen. Wir sind wohl einfach zu müde von der anstrengenden Busfahrt und zu voll von den unterschiedlichen Reiseeindrücken. Die großen Emotionen stellen sich am nächsten Tag ein, als wir nach einigen Besichtigungen in dieser quirligen und teilweise befremdlich anmutenden Stadt etwas zur Ruhe kommen. Von einem hoch über dem Basarviertel gelegenen Café haben wir einen großartigen Blick über den Bosporus mit den vielen Schiffen, den gewaltigen Bauten der Hagia Sophia und der Blauen Moschee und hinüber nach Galata mit dem berühmten Turm. Wir sitzen, genießen die Ruhe, verfolgen den Sonnenuntergang und können unser Glück kaum fassen, an diesem besonderen Ort angekommen zu sein.
In Istanbul verbringen wir noch zwei weitere erlebnisreiche Tage, bevor wir die Heimreise antreten müssen – aus Zeitgründen diesmal mit dem Flugzeug.
Im Rückblick war die Reise zwar teilweise fordernd, aber immer interessant und voller unerwarteter Eindrücke: Wir haben drei ziemlich unterschiedliche Millionenstädte besucht. Wir haben Siebenbürgen kennengelernt – landschaftlich, architektonisch und kulturell das komplette Kontrastprogramm. Das alles innerhalb von gerade einmal 14 Tagen! Die reine Reisezeit für die 2.400 Kilometer lange Strecke lag bei rund 45 Stunden. Für zwei Nachtzüge, den Zug von Braşov nach Bukarest und den Flixbus nach Istanbul haben wir pro Person rund 220 Euro bezahlt – ein fantastisches Preis-Leistungs-Verhältnis! Wir wissen: Wir kommen wieder! Denn alle Metropolen, aber auch das ländliche Siebenbürgen haben uns gut gefallen, und die meisten Menschen, die wir getroffen haben, waren freundlich und hilfsbereit. Nächstes Mal bringen wir deutlich mehr Zeit und Muße mit und werden jeweils nur eine der Städte beziehungsweise Siebenbürgen als Region ausgiebiger erkunden.