Endlich Urlaub! – Vieles, was im Alltag von Familien zu kurz kommt, soll in zwei bis drei Wochen Familienferien nachgeholt werden. Die Erwartungen sind so groß wie unterschiedlich. Wenn sie alle erfüllt werden sollen, muss ein großes Stück Glück dazukommen.
Mama, ich will ein großes Kuscheltier!" Soweit der legitime Wunsch meiner fünfjährigen Tochter. Aber bitte nicht auf einem provencalischen Markt bei 35Grad im Schatten, auf dem es, weiß der Himmel was alles gibt, nur keine Kuscheltiere. Und schon gar keine großen. Mama ist genervt, Papa ist genervt. Die siebenjährige Leonie sagt: "Sophie nervt."
Familienurlaub ist kompliziert. In unserem Fall wollen vier "Ichs" und mindestens drei "Wirs" zu ihrem Recht kommen. Jedes Kind hat seine konkreten Vorstellungen, Mama und Papa meistens auch. Die Kinder bilden das erste "Wir". Die Familie als Ganzes das zweite "Wir". Und Mama und Papa wollen auch mal wieder Zweisamkeit erleben, wo sie doch das ganze Jahr wie betrunkene Ameisen vor sich hin organisieren.
Familienurlaub ist schön. Endlich hat man Zeit füreinander. Der Vater, der das ganze Jahr so viel arbeitet, hat Zeit für die Kinder. Die Mutter, die das ganze Jahr das Gros der Kinderbetreuung an der Backe hat, hat Zeit für sich. Vater und Mutter haben Zeit füreinander. Der Vater kommt endlich dazu, seinen 1000-Seiten-Roman zu lesen. Die Kinder sind zufrieden, weil alle so viel Zeit füreinander haben und weil es ständig Eis gibt. Alle sind glücklich und strahlen den ganzen Tag. So steht es jedenfalls in den Prospekten der Eltern-Kind-Veranstalter.
Das klappt nicht immer. Familienurlaub ist manchmal die Hölle. Papa will gar nicht so viel Zeit mit seinen Kindern verbringen. Er freut sich auf den Urlaub mit Kinderbetreuung. Endlich mal entspannt im Restaurant sitzen. Unbehelligt von Weingut zu Weingut tingeln, hier probieren, da probieren … Endlich mal wieder zusammenhängende Sätze mit seiner Frau wechseln, ohne dass ein penetrantes "Mama!" jeden Gedanken unterbricht.
Doch daraus wird nichts: Die Mädels finden die Kinderbetreuung mäßig. Die meisten Kinder sind älter. Vor zwei Jahren in der Toskana mit Paula und Isabel war alles schöner … Mama ist der Meinung, dass die Kinder nicht müssen, was sie nicht wollen. Papa sieht das ganz anders, und geht erstmal joggen. Man darf den Kindern nicht das Zepter in die Hand geben, nicht im Alltag und schon gar nicht im Urlaub. Warum? Wenn Kinder Urlaubstage planen, sieht das wie folgt aus: morgens in den Pool, danach spielen, mittags in den Pool, spielen, nachmittags in den Pool, spielen … Das hält kein Erwachsener drei Tage in Folge aus.
Letztendlich bekommt keiner, was er will: Die ganze Familie fährt auf den Markt ins Nachbarstädtchen. Es ist heiß, es ist voll und Sophie nervt wegen des Kuscheltiers.
Schuld, wohlgemerkt, ist daran niemand. Es gehört auch ein bisschen Glück zum rundum gelungenen Familienurlaub. Vor zwei Jahren bei einem ähnlichen Urlaub in der Toskana stimmte sehr viel. Die Kinder fanden direkt Freunde, liebten ihre Betreuerin und waren den ganzen Tag nicht zu sehen. Wir Eltern schlenderten zu zweit durch Siena, fuhren zu zweit von Weingut zu Weingut im Chianti-Land und verbrachten dann auch gerne wunderbare Stunden mit der ganzen Familie am Pool, mit dicken Büchern und Eis ohne Ende in Reichweite.
Eigentlich war das gar kein richtiger Familienurlaub. Es war Kinderurlaub auf der einen Seite und Elternurlaub auf der anderen – mit gemeinsamen Erholungsphasen.
Eltern-Kind-Veranstalter werben mit der perfekten Idylle, in der alle finden, was sie suchen. Die Erwartungshaltung ist dann auch entsprechend. Oft geht es leichter, wenn nicht alle alles in einen Urlaub packen. Alles findet man sowieso selten an einem Ort. Deshalb geht der Trend bei uns jetzt zum kürzeren und mehrfachen Urlaub mit verschiedenen Schwerpunkten – auf der Suche nach den jeweiligen "Ichs" und "Wirs" und dem "großen Kuscheltier".